
Weil ich ein Dicker bin
Exklusiv-Interview mit Bertram Eisenhauer
Auslandsstudium, Ressortleiter bei einer renommierten Zeitung, Interviews mit den interessantesten Persönlichkeiten: Bertram Eisenhauer, der Mann hinter dieser beruflichen Bilderbuch-Bilanz, macht dennoch keine Luftsprünge. Denn da ist dieses große Aber mit dem Übergewicht. Und die Waage, die kapitulierte. Genau wie sein Körper. Ziemlich akuter Handlungsbedarf also. Bertram Eisenhauer hat das Beste daraus gemacht, einen Abnehmmarathon in Angriff genommen und ein ganz besonderes, rundum brillantes Buch darüber geschrieben.
Schon der Buchtitel lässt ahnen, dass Sie kein gewöhnliches Diät-Brevier verfasst haben. Was ging Ihnen bei Ihrem Bekenntnis durch den Kopf?
Wissen Sie, ich war Ende 40 und stellte fest: Mein Übergewicht hat mich definiert und geprägt, soweit ich zurückdenken kann. Ich war ein pummeliger Teenager, ich war ein dicker Student, ich bin ein adipöser Erwachsener. Ich habe immer wieder abgenommen - und dann wieder zu. Während ein paar kostbarer Jahre hatte ich sogar einen Körper, mit dem ich sehr gut hätte leben können. Ich kenne das Dick-Sein in ganz verschiedenen Formen und Ausprägungen. Und davon wollte ich in "Weil ich ein Dicker bin" erzählen: was es einen kostet, ein Mensch zu sein, der zu viel wiegt. Genauer gesagt: Was es nicht nur körperlich kostet, sondern auch emotional.
Sie haben an einem Programm des Adipositas-Zentrums teilgenommen. Was verbirgt sich dahinter?
Ich habe 52 Wochen an dem ambulanten Programm teilgenommen, in dem Ernährungsberatung, Sportprogramm, Verhaltenstherapie und medizinische Betreuung kombiniert werden. Das ist unter den konservativen Methoden zur Gewichtsreduktion eine der innovativsten - und viel mehr als eine "Diät". Es ist ein komplettes Rebooting des Verhaltens.
Ihr Buch ist wie eine Chronik des Abnehmens aufgebaut, aber es beschränkt sich beileibe nicht darauf.
Der Kurs war der äußere Rahmen für eine intensive, mal grimmige, mal humorvolle, aber immer schonungslos ehrliche Seelenschau.
Irgendwann reifte in Ihnen der Entschluss, ein "Superheld des richtigen Essens" zu werden. Worin bestand das Heroische? Das war der Versuch, beim Anblick einer Tüte Chips die Kontrolle zu behalten. Ich dachte an die schnuckelige Ernährungsberaterin aus dem Adipositas-Zentrum und sagte mir: Ich bin jetzt nicht der Kerl, der wie üblich diese ganze Tüte wegzieht, nur der Gelüste und der Gewohnheit wegen. Heute nicht. Ich habe sozusagen eine Haltung gesucht. Die Idee, mich als Superhelden zu sehen, schien mir hilfreich, aber auch ausreichend selbstironisch. Das sagt schon sein Name: Captain Tunafish. Manchmal finde ich ihn in mir.
Worin bestanden die wirksamsten Lektionen während der 52 Wochen?
Essen ist so viel mehr als nur Essen. Bereits in der ersten Beziehung des Menschen - der zu seinen Eltern - lernt er: Wer für dich sorgt, wer dich liebt, der gibt dir zu essen. Deshalb ist Essen ein so gefährlich naheliegender Ersatz für Gefühle und manches andere, was man womöglich im Leben vermisst. Essen ist ein Freund, und zwar ein großartiger - jedenfalls, bis er einem das Leben schwermacht. Für mich war er zum Ersatz für so ziemlich alles geworden, wofür andere Leute vor die Tür gehen.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass auf dem Buchcover ein Dickhäuter abgebildet ist. Was symbolisiert er für Sie?
Von der Körperform mal abgesehen, gefällt mir die nachdenkliche Melancholie, die er ausstrahlt. Ich hoffe, das Buch ist auch so.
Jedes Wochenkapitel in Ihrem Buch beginnt mit einem ¿Status-Report¿. Wie sieht die aktuelle Version aus?
Gerade haben drei der Leute aus meinem Abnehmkurs und ich vereinbart, dass wir in 14 Tagen mit einer selbstorganisierten, selbstüberwachten neuen Runde beginnen. Sie sehen also: Ich kämpfe weiter.
Über "Weil ich ein Dicker bin":
Neuprogrammierung: So nennt Bertram Eisenhauer das, was ihm in 52 Wochen Spezialprogramm für Fettleibige bevorsteht. Abschied vom All-you-can-eat als Grundprinzip, Fasten mit kleinen Sündenfällen und beflügelnden Fortschritten bei der Gewichtsreduzierung - das ist erst der Anfang eines Großprojekts, bei dem es vor allem um die Auseinandersetzung mit der eigenen Essbiografie geht. Und um die Erforschung von Ursachen, um essenzielle Fragen und ehrliche Antworten als Voraussetzungen für ein neues Lebensgefühl. Eisenhauers Überzeugung: Zur Selbstrettung ist es nie zu früh - sogar in kleinsten Schritten!
