Hunger in Waldenburg (Ums tägliche Brot, 1929) ist ein Film, den es dem Vergessen zu entreißen gilt! "Kein angenehmer Film, wahrhaftig nicht; aber ein notwendiger," schrieb der Film-Kurier schin 1929. Er ist eine Bestandsaufnahme der katastrophalen Lebensumstände im schlesischen Bergbaugebiet. Die Bewohner spielen sich selbst, die Kamera ist vor Ort und registriert ihre Not.
Morgenröte , im selben Jahr, am selben Ort entstanden, ist das Gegenstück: eine verlogene, großbürgerliche Antwort auf den proletarischen Vorgängerfilm.
Und Elend herrscht noch immer im heutigen Wa brzych, dem ehemaligen Waldenburg. Das zeigen zwei aktuelle dokumentarische Essays. Die DVD-Edition soll auf eine Notstandsregion in unmittelbarer Nähe hinweisen, in der für lange Zeit und mit furchtbaren Folgen kapitalistische Ausbeutung und später sozialistische Planwirtschaft gewütet haben. Es gilt Verantwortung wahrzunehmen, heute, hierzulande und in der Europäischen Union.
Das gewaltige Schloss Fürstenstein steht für die Kapitalisten Mietskasernen, ausgemergelte Grubenarbeiter, ihre Frauen und Kinder für die Unterdrückten. Ihnen gilt die Sympathie der Filmemacher von HUNGER IN WALDENBURG (1929). Keine Sentimentalität, kein falsches Mitleid. Die damalige Zensur schritt ein, um sozialen Unruhen, die der Film möglicherweise auslösen könnte, vorzubeugen. Die Waldenburger bekamen ihren Film nie zu sehen. 1933 wurde der Streifen von den Nationalsozialisten verboten und verschwand für lange Zeit. Erst 1974 strahlte das DDR-Fernsehen eine fragmentarische Kopie aus (ebenfalls auf dieser Edition), die 1996 mit weiteren, im Moskauer Filmarchiv aufgefundenen Materialien ergänzt werden konnte, die hier zum ersten Mal auf DVD vorliegt. Eine der Laiendarstellerinnen aus Phil Jutzis Film gibt Auskunft über die Dreharbeiten und ihr Leben in der DDR in dem berührenden Porträtfilm post scriptum Vetschau 1975.
MORGENRÖTE war die bürgerliche Antwort auf HUNGER IN WALDENBURG, entstanden im selben Jahr, an den gleichen Schauplätzen. Soziale Fragen kreuzen sich mit Eheproblemen der besseren Gesellschaft und gehen am Ende eine unheilige Allianz ein, wenn die Drehbuchautoren ihre Sympathien einem Streikbrecher schenken und das Publikum dazu auffordern, es ihnen gleich zu tun. Morgenröte fand höchstens ein Provinzpublikum und das auch nur für kurze Zeit. Glücklicherweise. Das reaktionäre Melodram ist auf dieser DVD wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt wieder zu sehen, seit es von irgendeinem Stummfilmkino, ein paar Monate nach seiner Uraufführung, letztmalig gezeigt wurde. Ein vergessenes Beispiel für Konjunkturkitsch, heutzutage aber wichtig als Dokument seiner Entstehungszeit, deren Marktmechanismen und geistigen Strömungen. Wie weit sind wir im neuen Jahrtausend davon entfernt?
Das Kohlerevier Waldenburg, ab 1945 Wa brzych, gibt es nicht mehr. Seit circa 20 Jahren sind die Gruben geschlossen. Und genau so lange gibt es immer wieder Beiträge in den Medien über die so genannten Kohlespechte , meist ehemalige Kumpel, die aus selbstgegrabenen Schächten illegal Kohle fördern, unter Lebensgefahr, aus reiner Not. Uwe Manns Film KOHLE ALS HONORAR schlägt einen Bogen in die Gegenwart. Er ist ein trauriger Epilog zum Thema Hunger in Waldenburg .
Inhaltsverzeichnis
Um's tägliche Brot - restauriert (s/w, 44')
Morgenröte (s/w und Virage, 1'h39')
Kohle als Honorar (2016, 23`)
Bonus:
Ums tägliche Brot - DDR-Tonversion (1975, 37')
postskriptum Vetschau (1975, Farbe, 25')
Um's tägliche Brot. Hunger in Waldenburg
9 Stunden - Tag aus, Tag ein
Der Weg zum Glück
Sorgen um die Miete
Morgenröte. Das Drama des Stollen 306
Kohle!
In der Hölle des Berges
Der Schoß der Erde
Glück und Sorgen über Tage
Stollen 306 brennt!