Das Hörbuch Die Bilder unseres Lebens von Ines Thorn fand ich wunderbar gelesen von Julia Kelz . Es ist sehr interessant und informativ. Zu hören ist die Familiengeschichte der Lindemanns im Zeitraum von 1945 bis zum Mauerfall 1989 über 5 Generationen. Die Geschichte ist sehr gut aufgebaut und anfangs glaubte ich hier die wahre Geschichte der Lindemanns und deren Kino Die Schauburg im Leipziger Westen zu hören. Mit Unterbrechungen habe ich die Lesung verfolgt, um ab und zu im Internet zu dem Kino und dem geschichtlichen Hintergrund zu recherchieren und Informationen zu erhalten. Dank der Erzählungen meines Opas, der in den 50iger Jahren zusammen mit zwei Studenten in einem Durchgangszimmer in der Brockhausstraße wohnte, konnte ich gewisse Parallelen zu seinen Erlebnissen und den Geschehnissen der erzählten 44 Jahre um und über Familie Lindemann erkennen. Allerdings fand ich keinen Hinweis, dass dieses Lichtspieltheater einer Familie gehört haben soll. Die Hauptprotagonistin ist Ursula Lindemann. Sie lebt mit ihren Schwiegereltern und den beiden Kindern Stefan und Sigrid in einer kleinen Wohnung am Adler. Ihr Mann Gerhard kommt als Kriegsversehrter aus dem Krieg und ist durch das Kriegstrauma völlig verändert. Ursula kämpft um ihr Kino, was der Familie weggenommen wurde und erreicht, dass sie es weiterhin leiten und die Filme vorführen darf. Im Laufe der Handlung werden dem Hörer der Alltag mit seinen Schwierigkeiten, wie das stundenlange Anstehen nach Lebensmitteln, die man nur mit den Lebensmittelkarten bekam, aber auch der Hoffnung auf ein besseres Leben, was sich Gerhard mit seinem Parteieintritt erhoffte, den Schwierigkeiten der Kinder in der Berufswahl nahegebracht. Familie Lindemann verkörpert sehr verschiedene Charaktere, sie zeigen unterschiedlichste Gefühle, sind von Ines Thorn sehr glaubhaft und realistisch dargestellt worden und stehen stellvertretend für die Menschen dieser Zeit, die im Laufe der Jahre emotional viel durchlebten. Wir hören vom Mauerbau, verfolgen die Flucht von Sohn Stefan nach Westberlin, erleben Tochter Sigrids Schulabschluss mit folgendem Lehrerstudium in Leipzig. Ab jetzt trennt die Familie die Mauer in Ost und West. Dass auch bei ca. 10 Stunden Hörzeit nicht die gesamte Geschichte von 44 Jahren aufbereitet werden kann, ist verständlich. Die Spannung ist anhaltend hoch, denn als Hörer möchte man unbedingt erfahren, wie es den Kindern, später auch Schwiegerkindern und Enkeln( von den Urenkeln kennt man nur die Namen) in Ost und West ergeht. Höhepunkt ist sicherlich der Beginn der Montagsdemonstrationen in Leipzig. Ich fand persönlich den Bezug zu den in den Jahren laufenden Kinofilmen, die Erwähnung von Schauspielern und Klassikern jeweils am Ende der Kapitel großartig. Auch die Programme im Fernsehen, die Erwähnung von Kinderliedern, Schlagersternchen oder dem schwarzen Kanal, weckten Kindheitserinnerungen. Und im Kino lief, und das fand fast nebenbei in nüchterner sachlicher Sprache Erwähnung.
Das Cover sieht nach einem alten Foto aus den 30iger Jahren vom Leipziger Adler mit der Schauburg aus, im Vordergrund eine Frau mit einem kleinen Jungen. Es ist einfach gehalten, nichts lenkt ab.
Gelesen wurde das Buch von Julia Kelz, die mit ihrer einfühlsamen, sanften und vielseitig wandelbaren Stimme die Charaktere von Familie Lindemann und den anderen Personen, denen wir im Alltag begegnen einen Wiedererkennungswert gab und auch die Stimmungen gekonnt wiedergegeben hat.
Das Hörbuch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es Stellen gab, an denen ich mir ein bisschen mehr Ausschmückung gewünscht hätte, auch kam die Gegendarstellung des Lebens in Ost und West etwas einseitig rüber, was aber sicherlich an der Unmenge an Informationen, die sonst noch hätten einfließen müssen, über 44 Jahre, geschuldet ist.
Mein Fazit: vom Hörbuch war ich begeistert und kann es denen empfehlen, die an der deutsch-deutschen Geschichte interessiert sind und vielleicht Gelegenheit haben über die Erzählung sich mit Zeitzeugen auszutauschen.