Philosophische Erzählung im Gewand einer Mystery-Story.
Piranesivon Susanna Clarke ist ein ungewöhnliches Buch, das sich schwer einordnen lässt - am ehesten könnte man es eine philosophische Erzählung nennen, die sich in das Gewand einer Mystery-Story kleidet.Am Anfang hatte ich tatsächlich Mühe dranzubleiben: die ersten Kapitel wirken fast leer, wie eine reine Beschreibung ohne Handlung. Doch ab dem dritten Teil entfaltet sich langsam ein Spannungsbogen, der mich schließlich in den Bann gezogen hat. Ich bin froh, dass ich nicht aufgegeben habe, denn die Geschichte entwickelt sich auf eine interessante Weise.Der Roman ist in Form von Tagebuchaufzeichnungen geschrieben. Dadurch liest sich der Text einerseits sachlich, beinahe nüchtern, und gleichzeitig entsteht eine ganz eigentümliche Atmosphäre. Die Stimme der Hauptfigur ist voller Staunen und Respekt vor der Welt, die sie beschreibt.Thematisch berührtPiranesivieles auf einmal: Erinnerung, Identität, Wahrheitssuche, Macht und Abhängigkeit. Es ist ein Roman, der nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern auch viel Raum für Interpretation lässt.Man kann ihn lesen als Parabel über Gefangenschaft und Befreiung, als Spiegel einer inneren psychischen Welt oder auch als Nachdenken über Macht und Wissen. Clarke hat ein Buch geschrieben, das auf unterschiedlichen Ebenen funktioniert und je nach Blickwinkel andere Facetten offenbart.Piranesiist ein leicht und schnell zu lesendes Buch - und zugleich ein besonderes, sobald man beginnt, das Gelesene zu deuten. Wer bereit ist, sich auf den stillen, zunächst rätselhaften Anfang einzulassen, wird mit einer Erzählung belohnt, die nachhallt.