Schonungslos und krass
Matthew Perrys Autobiographie wurde ein Jahr vor seinem Tod veröffentlicht. Lange habe ich mich nicht getraut, sie zu lesen, weil ich Angst vor dem hatte, wie "Chandler" in echt war. Und - das war nicht unberechtigt! Matthew Perry ist teilweise wirklich wie seine Figur Chandler, aber ohne dessen Entwicklung und Reifung und vor allem ohne ein Happy End. Wissend, was mit seinem Leben geschah, nachdem er das Buch geschrieben hatte, ist es natürlich maximal heftig, Sätze zu lesen wie "Ich habe Angst zu sterben" "Ich möchte nicht sterben" oder "Ich suche noch die wahre Liebe und wünsche mir Kinder". All das ist nicht eingetreten, er ist alleine in seinem Whirlpool ertrunken, er ist nicht nüchtern gewesen und nicht drogenfrei. In Matthew Perrys Autobiographie gibt es Stellen, die wirklich sehr Insider-mäßig anmuten. Wir lesen über Castingprozesse, erfahren von Beziehungen und Freundschaften mit anderen berühmten Schauspielern und lesen über seine nicht so glückliche Kindheit und den märchenhaften Reichtum, den er durch Friends erworben hat. Gleichzeitig aber lesen wir auch von den tiefsten Tiefpunkten, von Operationen, Narben, Drogen, von Weinkrämpfen und Einsamkeit, von Verzweiflung und immer wieder von versuchten Entzügen, die entweder fehlschlugen oder später dann doch von den unvermeidlichen Rückfällen. Und das ist auch mein Kritikpunkt. Ich weiß, das Buch ist ehrlich und das honoriere ich auch. Aber es ist keine "schöne" Lektüre. Fernab von anderen Büchern von Menschen, die an einer Sucht litten und diese besiegt haben, wiederholen sich die Rückschläge wieder und wieder, was das Lesen wahnsinnig frustrierend und ein bisschen repetitiv macht. Auch die Selbstreflexion, die der Autor eindeutig hat, bringt ihm nichts und so war ich am Ende des Buches ausgelaugt und frustriert - und ehrlich gesagt, auch wütend. Ein Mensch, der so viel Geld verdient hat - obszön viel Geld! - damit, dass er in einer Fernsehserie mitgespielt hat, der immer nur tiefer sinkt und wieder und wieder die gleichen oder ähnliche Fehler macht, der macht mich am Ende des Buches einfach nur wütend. Er hatte alle Chancen und Möglichkeiten und er war nicht dumm, er wusste, was sein Verhalten bei ihm, seinem Körper, aber auch bei anderen Menschen, die ihm nahe stehen, auslösen würde - und trotzdem tat er es! Das ist etwas, was meinem eigenen Charakter so sehr entgegen steht, dass es mir einfach nicht möglich ist, entspannt damit zu sein. Und auch, wenn ich ein bisschen traurig bin, darüber, wie Matthew Perry gestorben ist und auch darüber, dass seine Wünsche nicht in Erfüllung gegangen sind, kann ich nicht tief mit ihm mit empfinden. Das Buch kann ich auch nur eingeschränkt empfehlen, da es meiner Meinung nach einfach teilweise zu heftig geraten ist.