Mit diesem Roman reisen wir zurück ins Jahr 1989. Die Unzufriedenheit in der DDR wächst und die Einwohnerinnen und Einwohner werden mutiger. Einigen von ihnen gelingt im Sommer 1989, die Flucht in die Botschaft der BRD in Prag. Auch Tobias, ein junger, alleinerziehender Vater aus Halle, hört von diesen Geschehnissen. Seit seine Frau Doreen Republikflicht begangen hat, steht er stets im Visier der Stasi. Kurzerhand beschließt er mit seiner vierjährigen Tochter auch die Reise nach Prag zu wagen. Auch er verschafft sich Zutritt in die Botschaft. Dort lernt er die junge Botschaftsangestellte Judith kennen und zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Zuneigung. Immer mehr DDR-Bürgerinnen und Bürger finden Zuflucht in der Botschaft. Am Ende sind es tausende die dort ausharren und auf die Ausreise in die BRD hoffen. Die Situation wird immer unzumutbarer und die BRD setzt alle Hebel in Bewegung um eine Lösung herbeizuführen. Dann endlich besucht Außenminister Genscher die deutsche Botschaft in Prag und erlöst alle Beteiligten mit dem Satz der in die Geschichte einging. Wird es für Tobias und Judith eine Zukunft geben?
Die Autorin Theresa Herold hat es mit ihrem neuen Roman sofort geschafft, mich zu fesseln. Die Lektüre ist spannend und abwechslungsreich geschrieben und obwohl man den Ausgang der Geschichte kennt (abgesehen von der Liebesgeschichte) ist man neugierig, wie die einzelnen Entwicklungsschritte sich ergeben. Eine aufregende Zeit für uns alle, egal ob Ost- oder Westbürger. Ich war damals Anfang zwanzig und habe im Westen gelebt. Natürlich verfolgte man die Ereignisse und war über die Medien informiert. Tatsächlich habe ich mir damals überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, welche Zustände damals in der Botschaft geherrscht haben müssen. In der Nachbetrachtung ist es logisch, dass die hygienischen Zustände, die Schlafsituationen und die Bereitstellung der Versorgung allen Beteiligten viel abverlangten. Das zeigt dieser Roman in aller Deutlichkeit und Umfang. Mit Tobias und Judith hat die Autorin zwei sympathische Protagonisten geschaffen und je nach Kapitel wird die Situation aus deren Sicht geschildert. Tobias Beweggründe lassen sich gut nachvollziehen und auch Judiths Gedanken sind authentisch dargestellt. Der Roman schafft ein gutes Gleichgewicht, es wird nie kitschig. Theresa Herold bietet uns eine tolle Kombination zwischen Unterhaltung und historischen Ereignissen. Es macht einfach großen Spaß, dieses Buch zu lesen. Das Buchcover zeigt die Zuflucht in die Botschaft und ist passend gewählt. Lediglich mit dem Titel hadere ich ein wenig.
Vor 34 Jahren feierten wir die Wiedervereinigung und es ist gut, dass es immer wieder Neuerscheinungen von Romanen gibt, die uns an die Vergangenheit erinnern und somit auch jüngeren Generationen Geschichte in unterhaltsamer Form zugänglich gemacht werden kann.