So ein Buch hätte ich mir als heranwachsender geschichtsinteressierter Jugendlicher gewünscht: Ein Buch, das einfach ohne akademische Faktenhuberei eine Geschichte aus meiner Heimat erzählt, die spannend zu lesen ist und ohne die üblichen Kaiser und Könige auskommt. Ein Buch, das detailgenau die Nöte der sogenannten kleinen Leute plastisch schildert. Wobei man erkennt, dass schon vor 500 Jahren ähnliche Drangsale wie heute den Menschen das Leben schwer machten: Armut, Krieg, ideologische und religiöse Verbohrtheiten und Machtgier. Ein Hausbuch, nicht nur für Geschichtsbegeisterte!
Toni Drexler, ehemaliger Kreisheimatpfleger des Landkreises Fürstenfeldbruck
Wie geht es weiter mit Anna, der Schwester des Ketzers Gebhart, einem Anhänger der Wiedertäufer , nach dessen Hinrichtung in Landsberg im Jahr 1527 sie zusammen mit ihrem kleinen Neffen und ihrem Gefährten Lenz auch er als Ketzer gesucht - nach Mindelheim und von dort nach Memmingen fliehen muss? Propheten der Apokalypse hat das Landsberger Autorenpaar Uschi und Klaus Pfaffeneder die Fortsetzung ihres Romans Die Schwester des Ketzers überschrieben, die die Romangeschehnisse ins Jahr 1528 weiterführt. In jenes Jahr, als der Wiedertäufer Hans Hut in seinen apokalyptischen Visionen das Ende der Welt am Pfingstfest 1528 ankündigt hatte und auch in Augsburg und der Region rund um Landsberg und den Lechrain Anhänger fand, die mit ihm überzeugt waren, dass sie durch ihre erneute Taufe zu den 144 000 Auserwählten gehören sollten, die gerettet würden.
Auch im zweiten Teil ihres historischen Romans gelingt es dem Autorenpaar, Geschichte lebendig werden zu lassen, bewusst mit den Mitteln von ineinander verschränkter Fiktion und historischer Authentizität arbeitend, dort, wo es um bekannte Persönlichkeiten und Fakten geht.
Dieser historische Roman zeichnet sich durch all das aus, was für sein Genre typisch ist: Den roten Faden bildet die durch Verfolgung und Intrigen einer Widersacherin so gefährdete Liebe zwischen Lenz und Anna. Um die beiden herum lässt das Autorenpaar eine ganze Reihe von Figuren lebendig werden, historisch oder erfunden, die auf je eigene Weise mit der Wiedertäufer-Bewegung zu tun haben: als gefährliche, machthungrige Verfolger, als Intriganten, als jämmerliche Verräter, als von der neuen religiösen Bewegung in Bann Gezogene, ja auch als Männer und Frauen, die sich all den Wirren und den Bedrohungen zum Trotz als menschenfreundlich erweisen. Spannend läuft das ganze historisch nachgewiesene - Geschehen auf das Osterfest 1528 zu, als das Haus von Susanna Daucher im Augsburger Lechviertel, wo sich eine große Täufergemeinde zum Gebet versammelt hatte, von der Stadtwache umstellt und die Versammelten in Haft genommen oder aus der Stadt gewiesen wurden darunter auch Susanna Daucher. Die Hauptfigur Anna gerät mitten in dieses Geschehen hinein.
Wie schon im ersten Teil des Buches ergibt sich durch die Perspektiven der Protagonisten ein schillerndes Bild jener Geschehnisse um das Jahr 1528. Den Lesern und Leserinnen fällt es dadurch leicht, nachzuempfinden, was etwa jene Menschen damals an der neuen religiösen Bewegung so sehr angesprochen, ja fanatisiert haben könnte, dass sie sich ihr angeschlossen haben aller Risiken um Leib und Leben zum Trotz. Historischer Roman, Krimi, Liebesgeschichte das Geschehen ist ständig in Bewegung, immer an neuen Orten, immer wieder in neuen Verwicklungen, der Gefahr wird oft im letzten Moment entronnen, man möchte das Buch nicht weglegen, bis nicht die letzte Seite gelesen ist.
Gerlinde Knoller, Kulturjournalistin, Augsburg