Wie lebt es sich in einer Ehe, der man nur noch entkommen möchte? Und wie ist das Leben als Außenseiterin? Darum geht es in den Roman Coast Road.Das Cover gewährt sprichwörtlich einen Einblick. Es wirkt wie eine tapezierte Wand, von der ein kleines Stück Tapete abblättert und einen Blick auf eine Küstenstraße inklusive Kirche freigibt. Diese Straße scheint der Handlungsort zu sein. Ein kleiner Ort in Irland, Mitte der 90er Jahre. Colette kehrt, nachdem sie ihre Familie verlassen hat, zurück an die irische Küste. Doch ihr Mann untersagt den Kontakt zu den Kindern und die meisten Menschen in der Coast Road schließen sie aus. Lediglich Izzy, in einer unglaublichen Ehe mit einem Lokalpolitiker, hilft Colette weiter- in einer Zeit, wo das Konzept der Ehe in Irland vor den Umbruch steht. Dann kommt es zu einem tragischen Vorfall...Ich habe mich bereits während meines Studiums mit der irischen Kultur befasst und kann das beschriebene Lebensgefühl sehr gut nachvollziehen. Trennung oder gar Scheidung war damals im religiösen Irland ein absolutes Tabu und hat nicht nur an der Küste Frauen aus der Gesellschaft verdrängt. Während die einen durch heimliche Affären erste Freiheiten genossen, wurden andere aufgrund dieser zur persona non grata. Dies wird eindrücklich nicht nur an Colette's Fall beschrieben, sondern auch an Izzys Trennung von ihren gewalttätigen Mann- wobei sie eine Affäre mit den Pfarrer hat- als auch am Beispiel von Colettes Vermieter, der lange den Rückhalt seiner Frau genießt und so Spielraum für Affären hat. Da Murrin sich gegen einen bestimmten Erzähler entschieden hat, kann ich als Leserin die Gedanken und Taten verschiedener Charaktere nachverfolgen, ohne mich auf einzelne zu beschränken. Hierbei gelingt es immer wieder, den Finger indirekt in die Wunde zu legen und Missstände aufzuweisen. Sei es die Affäre, Überforderung oder die Ausgrenzung- in Coast Road findet alles einen Platz, was gerne übersehen wird. Es ist wie, wenn man es nicht überdecken konnte, was zum Cover mit der Tapete wunderbar passt. Unterstützt wird die Beobachterrolle durch Murins Schreibstil. Die Charaktere, Landschaft und Handlung werden genau beschrieben und ich kann mir die einzelnen Szenen gut vor Augen führen. Was meinen Lesefluss etwas gehemmt hat war der Fakt, dass manche Ereignisse in die Länge gezogen wurden beziehungsweise streckenweise nichts passiert ist. Insgesamt war es aber ein toller Lesegenuss mit vielen wichtigen Aspekten. Ich vergebe vier Sterne und würde mich freuen, mehr vom Autor zu lesen.