"Ungebetene Gäste" von Ayelet Gundar-GoshenVerlag: Kein & Aber Ein Buch, das bleibt - unter der Haut, im Kopf, im Herzen.Naomi ist mit ihrem einjährigen Sohn Uri in ihrer Wohnung in Tel Aviv - und fühlt sich unwohl. Der arabische Arbeiter, den ihr Mann Juval zur Balkonrenovierung beauftragt hat, ist freundlich, aber sie will einfach nur allein mit ihrem Kind sein. Uri hat seinen gewohnten Tagesrhythmus, und dieser fremde Mann stört und macht ihr ein bisschen Angst. Als er auch noch ihre Toilette benutzt und draußen plötzlich laute Schreie zu hören sind, kippt die Stimmung.Ein junger Mann wurde von einem herabfallenden Hammer erschlagen - und Naomi begreift in einem erschütternden Moment: Es war ihr Sohn. Der Hammer fiel nicht von selbst. Uri hat ihn geworfen.Doch der Verdacht fällt auf den arabischen Arbeiter. Er wird festgenommen. Und Naomi? Schweigt. Erstarrt. Sie kann die Wahrheit nicht sagen. Aus Angst. Aus Schuld.Ihr Ehemann ist entsetzt, als er erfährt, was wirklich passiert ist. Die Ehe, das Vertrauen, das ganze Leben-alles gerät ins Wanken.Die Familie flieht nach Afrika. Doch die Schuld reist mit. Immer.Die Autorin versteht es meisterhaft, innere Konflikte sichtbar zu machen. Wie fühlt es sich an, nach so einem Einschnitt weiterzuleben? Wie geht man mit Schuld um, wenn das eigene Kind einen Menschen getötet hat?Ein Albtraum für die arabische Familie. Ein Riss in der israelischen. Ein Zusammenbruch für einen Unschuldigen.Der Roman zeigt eindrucksvoll: Schuld ist nicht nur eine Tat, Schuld ist auch ein Schweigen, ein Wegschauen, ein Nicht-Handeln. Und sie verändert. Jeden. Naomi, Juval, den arabischen Handwerker, der ohne eigenes Zutun alles verliert - Würde, Freiheit, Vertrauen.Ayelet Gundar-Goshen gelingt es meisterhaft, diese innere Zerrissenheit zu zeigen. Ihre Sprache ist klar, eindringlich, manchmal schmerzhaft schön. Die Figuren wirken authentisch, sie handeln irrational, widersprüchlich, so wie echte Menschen eben. Und genau das macht diesen Roman so kraftvoll, so bedrückend, so nah.Die Flucht nach Afrika mag räumlich Distanz bringen, innerlich bleibt der Vorfall unausweichlich. Er lebt mit, reist mit, sitzt mit am Tisch. Ungebetene Gäste ist nicht nur der Titel, es ist ein Gefühl, ein Zustand, ein moralisches Vakuum, das alle Beteiligten begleitet.Dieses Buch hallt nach. Es lässt sich nicht abschütteln, nicht weglegen. Es zwingt zum Nachdenken über Schuld, Gerechtigkeit, Angst, Verantwortung und über das, was wir tun, wenn wir glauben, keine andere Wahl zu haben.Ein starkes, tiefgründiges, sprachlich brillantes Buch. Fesselnd und verstörend zugleich. Ein literarisches Psychodrama, das unter die Haut geht und dort bleibt.Eine absolute Leseempfehlung (5 Sterne).