Bitterböse Satire über Alltagsrassismus, Medienzirkus & Familienwahnsinn ¿ Daily Soap ist klug, witzig, politisch. Unbedingt lesen!
Nora Osagiobare hat mit Daily Soap einen literarischen Coup gelandet: einen Roman, der nicht nur bitterböse und blitzgescheit, sondern auch radikal gegenwärtig ist. Was auf den ersten Blick wie eine locker-leichte Satire wirkt, entpuppt sich als messerscharfe Gesellschaftsanalyse mit maximalem Unterhaltungswert - ein echter page-turner mit Haltung.Im Zentrum steht Toni - eine Schwarze Frau in der Schweiz, deren Hautton die Behörden liebevoll mit "Cappuccino Macchiato, serviert an einem lauen Novemberabend in Sri Lanka" kategorisieren. Klingt absurd? Ist es auch - und genau das ist der Punkt. Osagiobare deckt in jedem Satz auf, wie tief Rassismus, Mikroaggressionen und Exotisierungsfantasien in der sogenannten Normalität verankert sind. Tonis Leben ist ein täglicher Spießrutenlauf zwischen strukturellem Ausschluss, familiärem Irrsinn und Kopfschmerzen, die vielleicht mehr sind als nur medizinisch erklärbar.Parallel läuft der zweite Handlungsstrang: Ein gutbürgerliches Unternehmen wird durch einen Rassismus-Shitstorm aus dem neoliberalen Himmel geholt und beschließt - völlig ironiefrei - eine Reality-Show mit Schwarzen Protagonist:innen zu produzieren, um sich reinzuwaschen. Was sich daraus entspinnt, ist ein herrlich groteskes Panoptikum medialer Selbstinszenierung, performativer Antirassismus-Kampagnen und kolonialer Denkmuster im neuen Gewand. Wer glaubt, Kapitalismus und "Diversity" seien versöhnbar, wird hier mit Stil und Schmackes eines Besseren belehrt.Was Daily Soap so besonders macht, ist Osagiobares Sprachkunst: Jede Zeile sitzt, jeder Seitenhieb trifft - und zwar dort, wo es wehtut. Ihr Ton ist gleichzeitig rotzig und verletzlich, ihr Humor so präzise wie entlarvend. Sie schreibt mit einer Haltung, die sich nie anbiedert, sondern konsequent von unten, von der Seite, aus der Erfahrung der Marginalisierten erzählt. Dabei gelingt ihr das Kunststück, sowohl wütend als auch verspielt, melancholisch wie überdreht zu sein - eben genau so wie eine gute Daily Soap: voller Drama, Intrige, Chaos, aber mit Substanz.Und ja - diese Geschichte hat Tiefe. Die Familiengeschichten, die Osagiobare erzählt, sind schrill und voller Absurditäten, aber sie bleiben nie bloß Karikaturen. Sie sind durchzogen von Fragen nach Zugehörigkeit, Identität, Entfremdung und Nähe - verpackt in popkulturellen Referenzen, feministischen Verweisen und einem Bewusstsein dafür, dass persönliche Geschichten immer auch politisch sind.Fazit:. Eine literarische Watsche für alle, die immer noch glauben, Rassismus sei ein Einzelfall oder Humor könne nicht politisch sein. Osagiobare führt uns durch einen absurden Spiegelkabinettstaat, der unsere Welt erschreckend genau abbildet - und dabei so unterhaltsam ist, dass man erst beim Lachen merkt, wie sehr es brennt.Wild und wahnsinnig gut - unbedingt lesen.