Die Trilogie, in der Junis das Leben ihrer Großeltern erforscht und gleichzeitig die lebenslange Freundschaft dreier norwegischer Frauen verfolgt, geht mit diesem Buch zu Ende. Der wunderbare erste Teil Als Großmutter im Regen tanzte wird mit der bewegenden Geschichte der Freundin Birgit, die im ersten Teil die entscheidenden Hinweise auf das Geheimnis der Großmutter Tekla und auf den leiblichen Großvater Otto gab, zusammengeführt. Ich habe noch einmal einige Stellen des ersten Teils nachgelesen, z. B. den Besuch von Juni bei der 90jährigen Birgit im Pflegeheim, als diese ihr unbekannte Familiengeheimnisse offenbarte. Es heißt zwar im Nachwort des dritten Bandes, dass man die Teile auch einzeln lesen könnte, aber um den dritten Teil zu verstehen, wäre das Lesen des ersten aus meiner Sicht schon wichtig.
In Wir sehen uns wieder am Meer befindet man sich mitten im Zweiten Weltkrieg, Norwegen ist von den Deutschen besetzt, aber es gibt auch in Norwegen Kollaborateure und Hitlerverehrer, die es den friedlichen Menschen noch schwerer machen, das Los der Besatzung zu ertragen. Birgit Johansen beschließt, ihren Anteil an der Hilfe für die unterdrückten Menschen in einem Krankenhaus weit im Norden des Landes, in Bodø, zu erbringen. Sie will dort, zur Verwunderung ihrer Freundinnen und Familie als Krankenschwester arbeiten. Für sie ist es die Flucht aus einer Einsamkeit, die diese nicht lindern können, denn ihr russischer Freund Ilja ist verstorben. Sie kann schon recht gut Russisch sprechen und sie liebt vor allem die russische Musik. Als sie im Krankenhaus mit sowjetischen Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen konfrontiert wird, erweist sich ihr Sprachwissen als sehr hilfreich. Mit der ukrainischen Fremdarbeiterin Nadja freundet sie sich an und später wird sie sich unsterblich in den Kriegsgefangenen Sascha verlieben. Ohne Zögern beginnt sie die lebensgefährliche Mitarbeit in einer norwegischen Widerstandsgruppe. Vieles Erlernte aus dieser Untergrundarbeit wird ihr nach dem Krieg hilfreich sein bei ihrer Arbeit für den norwegischen Geheimdienst. Aber nicht nur der Geheimdienst hat dann ein Auge auf sie geworfen, auch der CIA und der spätere KGB suchen die Zusammenarbeit. Sie stürzt sich in ein sehr aufregendes und gefährliches Leben, aber sie nimmt das in Kauf, auch um die kurz vor Kriegsende erlebten Misshandlungen durch die Gestapo und norwegische Helfershelfer zu vergessen.
Die Informationen über das Leben und Leiden der sowjetischen Gefangenen in Norwegen sind sehr bedrückend, die Lebensbedingungen erinnern an Berichte aus den KZs in Deutschland, Ravensbrück wäre ein Beispiel für die Ausbeutung der inhaftierten Frauen. Ähnlich erging es den Frauen in Norwegen, beispielsweise in der Fischfabrik in Bodø ähnlich, aber hinzu kam die eisige Kälte am Polarkreis. Was Nadja und die anderen Frauen erleiden mussten, ist schrecklich, den Männern ging es um nichts besser. Erschreckend der Gedanke, dass unter diesen Umständen Kinder geboren wurden, aufwuchsen und so viel Leid erdulden mussten.
Das Buch zeigt vor allem die Freundschaft und Solidarität der Betroffenen, aber auch die Boshaftigkeit der Kollaborateure, die in ihrer Menschenverachtung den Deutschen in nichts nachstanden. Auch in Norwegen sind viele der gerechten Bestrafung entgangen, aber es gab auch Verurteilungen von Tätern.
Die Opfer, Menschen wie Birgit oder Nadja, quälen sich ein Leben lang mit den grausamen Erinnerungen, mit Alpträumen und Depressionen. Gelegentlich gibt es psychologische und psychiatrische Hilfe, aber nicht von allen wird sie angenommen und nicht bei allen ist sie erfolgreich. Die dritte Freundin von Tekla und Birgit, Anneliese, gehört dazu.
Das Buch von Trude Teige liest sich insgesamt gut, sie hat einen angenehm unaufgeregten Stil, beschreibt auch das Grausame lesbar. Nicht so gut hat mir die Geheimdienstaffäre von Birgit gefallen, es ist für heutige, gerade jüngere Leser sicher nicht so leicht nachzuvollziehen, wie sich der KGB wie eine unheilbare Krankheit in das Leben der Menschen gefressen hat. Ich habe zu der Thematik lange und ausführlich geforscht und weiß die Berichte im Buch einzuordnen. Für andere ist das vielleicht schwieriger. Und dieser Teil des Buches las sich für mich auch nicht so flüssig.
Sehr interessant ist das Nachwort, das die Autorin nutzt, um dem Leser einen Einblick zu geben in ihre Arbeit, die Recherchen, die tatsächlich existierenden Personen, die ihren fiktiven Protagonisten als Vorbild dienten. Es rundet die Trilogie im wahrsten Sinne des Wortes ab. Hier am Ende schließt sich im Roman und mit den Erklärungen von Trude Teige der Kreis der Trilogie.
Ich habe versucht, keine Spoiler einzubauen in meine Rezension, das ist aber auch schwierig. Der Klappentext nimmt schon einiges vorweg.
Fazit: wer die ersten beiden Bände der Trilogie kennt, wird mit dem Erzählten gut zurechtkommen. Mir hat es gefallen, es ist ein eindringliches Buch, das ich mit gutem Gewissen empfehlen kann. Gute vier Sterne.