Ich fand den Klappentext zu Eden von Jan Costin Wagner sehr spannend.
Nach dem abgesagten Taylor-Swift-Konzert in Wien 2024 und dem Amoklauf 2025 in Graz dachte ich, es wäre passend, ein Buch wie Eden zu lesen. Persönlich hatte ich mit beiden Ereignissen wenig zu tun das Konzert in Wien wurde abgesagt, wodurch vielen zum Glück eine Tragödie erspart blieb, und Graz liegt nahe an meinem Wohnort, weshalb sich das Ganze vielleicht noch bedrückender anfühlte, obwohl ich direkt in keiner Weise betroffen war.
So las ich Eden mit großem Interesse und vielen Erwartungen.
Das Hauptthema des Buches ist, wie man mit einem großen Verlust einem Familiendrama umgehen kann, wie man solche Ereignisse verarbeitet und wie das Leben danach weitergehen kann. Sofie, die 12jährige Tochter von Markus und Kerstin Stenger, wurde bei einem Anschlag während eines Ariana-Grande-Konzerts getötet, für das sie überraschend Tickets von ihrem Vater bekommen hatte. Für Sofies Familie und Freunde ist das kaum zu verkraften, und jede/r geht auf eigene Weise mit dem Drama um. Ich finde, der Autor hat hier gute Arbeit geleistet (dafür die zwei Sterne aus meiner Bewertung) und sehr eindrucksvoll gezeigt, dass beide Elternteile zwar gleich stark betroffen sind, jedoch sehr unterschiedlich mit dem Verlust umgehen. Diesen Teil des Buches konnte ich sehr gut nachvollziehen, und ich hätte mir gewünscht, dass sich das Buch stärker auf genau diese Themen konzentriert.
Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Der Autor verwendet kurze Sätze, wodurch sich die Geschichte etwas abgehackt anfühlt. Es gibt einige Wiederholungen, und der Satz Lächeln ist wichtig taucht sehr häufig auf oft im starken Kontrast zu den übrigen Geschehnissen im Buch. Zwar war dies offensichtlich eine bewusste Entscheidung, allerdings fand ich diesen Satz nicht in jeder Situation passend.
Die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Figuren erzählt, allerdings in der dritten Person, was eine gewisse Distanz zwischen den Charakteren und der Leserin bzw. dem Leser schafft. Auch aufgrund dieser Erzählweise war für mich nicht immer klar, ob das Buch eher für Erwachsene oder für ein jüngeres Publikum gedacht ist.
Die Charaktere sind teilweise oberflächlich dargestellt. Kerstin, Sofies Mutter, trauert auf ihre Weise, verfügt aber über erstaunlich viel Kraft, um sich um ihre demenzkranke Mutter zu kümmern bis sie eines Tages plötzlich nicht mehr weitermachen kann. Die Kinder, Sofie und Tobias, sind zwölf Jahre alt. Sie halten Referate über Donald Duck, spielen mit Duplo-Steinen und kümmern sich gleichzeitig um Erwachsene. Sofies Freude über das Konzert habe ich nicht gespürt, da sie sich die ganze Zeit Sorgen um Tobias Referat gemacht hat. Alle anderen Figuren werden sogar noch oberflächlicher präsentiert.
Was mich an diesem Buch jedoch am meisten gestört hat, waren die unglaublich vielen Themen, die nur oberflächlich angerissen wurden. Von der Darstellung Muslime sind immer schuld über Nationalsozialismus, die Corona-Pandemie, Remigration bis hin zu der Frage, was Menschen im Falle einer Demenzerkrankung verheimlicht wird all das findet sich in diesem Buch.
Ich habe den Eindruck, dass es in diesem Buch kein Grau gibt alles wird entweder schwarz oder weiß dargestellt. Sofies Familie erscheint heil und steht im klaren Kontrast zu Tobias Familie, in der scheinbar alles schiefläuft. Der Attentäter Ayoub ist Muslim, und in den Augen von Markus Stenger ist nicht nur Ayoub selbst schuldig, sondern auch dessen Familie. Markus nimmt Kontakt zu Ayoubs Angehörigen auf, und mein Eindruck war, dass sein einziger Beweggrund darin bestand, sich davon zu überzeugen, dass alle insbesondere die Männer aus dieser Familie schuldig seien.
In einem Abschnitt über Ayoub versucht der Autor, die Gründe für seine Radikalisierung zu beleuchten. Alles, was in diesem Zusammenhang erzählt wird, wird auch über den Attentäter aus Graz berichtet der allerdings kein Muslim war. Das lässt mich fragen: Musste der Attentäter in diesem Buch unbedingt Muslim sein? Was war der Zweck dieser Entscheidung, wenn ein so sensibles Thema nicht wirklich tiefgründig oder ausgewogen aufgearbeitet wurde?
Fazit:
Das Buch ist zu kurz, um so viele Themen angemessen zu behandeln. Auch wenn sich unsere Gesellschaft heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sieht, ist das für mich kein Grund, so viele Aspekte zusammenzutragen und lediglich Schlagworte in einen Topf zu werfen. Es handelt sich dabei um durchweg sehr sensible Themen, bei denen die Haltung des Autors mal gar nicht erkennbar ist und mal in einem fragwürdigen Licht erscheint.