Mit Die Farbe des Schattens legt Susanne Tägder ihren zweiten Fall für Hauptkommissar Arno Groth vor und bringt Lesende damit zurück ins Mecklenburg des Jahres 1992, wo die Umbrüche der Wendezeit noch überall spürbar sind. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich war angenehm überrascht, wie gut sich die Geschichte ohne Vorwissen lesen lässt. Arno Groth wird knapp, aber treffend vorgestellt, sodass ich sofort ein Gespür für seine Persönlichkeit und seine innere Zerrissenheit bekommen habe.
Der Fall selbst beginnt mit einem Szenario, welches einem den Atem stocken lässt: Ein elfjähriger Junge, Matti Beck, verschwindet aus der Wechtershagener Plattenbausiedlung, dem Mönkebergviertel, nur wenige Meter von seinem eigentlichen Ziel entfernt. Susanne Tägder versteht es, diese Ausgangssituation mit einer ruhigen, aber bodenständigen Ermittlungsarbeit zu verbinden. Die Perspektive bleibt ausschließlich bei Arno Groth, was seine emotionale Belastung und die Last seiner eigenen Vergangenheit umso greifbarer macht. Gerade diese starke Fokussierung verleiht der Figur Glaubwürdigkeit und Tiefe. Nichts desto Trotz sind auch die anderen Charaktere ebenfalls stark gezeichnet.
Der Schreibstil ist sachlich, klar und leicht zugänglich. Beeindruckend fand ich es, wie die Autorin die Atmosphäre der frühen 90er Jahre eingefangen hat. Hoffnungslosigkeit, Perspektivarmut, das diffuse Gefühl eines gesellschaftlichen Neubeginns all diese Stimmungen durchziehen den Roman und vermitteln ein authentisches Zeitgefühl. Dass Groth und sein Team ohne moderne Technik auskommen müssen, machen die Ermittlungen nicht nur realistisch, sondern gibt dem Krimi auch etwas angenehm Zeitgenössisches.
An einigen Stellen verliert die Handlung jedoch etwas an Tempo, weil die Konzentration auf die minutiöse Ermittlungsarbeit die Spannung zwischendurch spürbar abbremst. Dadurch ging für mich etwas vom anfänglichen Sog verloren. Noch ein Wort zum Cover: es deutet thematisch die dunklen Abgründe an, die in diesem Kriminalfall verhandelt werden und gefällt mir sehr gut.
Fazit:
Die Farbe des Schattens ist ein klassisch erzählter, atmosphärisch starker Kriminalroman, der vor allem durch seine realistische Ermittlungsarbeit und die eindringliche Darstellung der frühen 90er Jahre überzeugt.