3 Generationen, ein gemeinsames Talent, ein gemeinsames TraumataRuth ist eine aufstrebende Opernsängerin im Dänemark der 1930er / 40er Jahre. Bis sie 1943 nach Theresienstadt deportiert wird und die gesamte Grausamkeit des 3. Reichs erlebt, ihr Leben und ihr Geist für immer gebrandmarkt.Jahrzehnte später versuchen Alexander und seine Partnerin Gry mit medizinischer Hilfe ein Kind zu bekommen. Gleichzeitig kämpft er jedoch mit seiner Gesangskarriere und seiner eigenen Identität. Lillian, seine Mutter, mischt sich dabei ständig in sein Leben ein. Aber wenn es um ihre Familiengeschichte geht, wird sie ungewohnt abweisend. Bis Alexander plötzlich zwei alte Kassettenbänder auf dem Dachboden findet und sich ihm mit der Stimme seiner Großmutter Ruth ein Tor zur Vergangenheit öffnet.Das Buch wird aus zwei Perspektiven erzählt. Während Alexander ausschließlich das Gegenwartsgeschehen schildert, begleiten wir Ruth zu dem Zeitpunkt ihrer Kassettenaufnahmen bis zurück in die NS-Zeit. Mir persönlich haben die Kapitel von Ruth weitaus besser gefallen. Wir folgen ihr auf ihrem Lebensweg voller wunderbarer und erschütternder Ereignisse und Entscheidungen, welche durch die Ich-Erzählung einen leichten emotionalen Zugang zu Ruth bilden. Generell fand ich es interessant, mal außerhalb von Deutschland über die Geschehnisse während der NS-Zeit zu lesen. Im starken Kontrast dazu standen für mich die Kapitel mit Alexander. Seine Erzählungen schienen sich ausschließlich im Kreis zu drehen, ohne ein Anzeichen von Entwicklung. Erschwert wurde das Lesen durch die Charakterisierung von Alexander, welcher extrem passiv auftritt, eigenen Entscheidungen und Konfrontationen mehr als aus dem Weg geht sowie kein gesellschaftliches Bewusstsein zu haben scheint. Auch seine Beziehung zu Gry sehe ich eher kritisch. Durch die Schilderung kommt für mich der Eindruck auf, beide leben seit Jahren nur noch nebeneinander her und nehmen die Interessen und Probleme des Partners gar nicht mehr wahr. In dieser Situation aktiv den Kinderwunsch zu verfolgen, sehe ich problematisch, aber es bietet natürlich viel Stoff zum Schreiben. Dies wurde leider nicht wirklich ausgenutzt. Das Geschehen dahingehend war eher stagnierend, bis am Ende plötzlich alle Probleme gelöst waren und die Charaktere in einem fast schon kitschigen Happy-End gelebt haben.Ein anderer umstrittener Charakter ist Lillian, Alexanders Mutter. Einst eine gefeierte Musicaldarstellerin, versucht Lillian sich überall selbst in den Mittelpunkt zu schieben und mischt sich dabei rücksichtslos in das Leben von Gry und Alexander ein. Beim Lesen hätte ich Lillian regelmäßig gerne den Kopf gewaschen. Doch vor allem zum Ende hin merkt man, wie die Musikerin sich in kleinen Schritten weiterentwickelt, sodass ich am Ende zumindest Verständnis für sie aufbringen konnte. Aber man muss ja auch nicht immer alle Charaktere mögen.Mit der Zeit merkt man, dass die Darstellung und Verhaltensweisen von Lillian und Alexander herrühren von einem vererbten Traumata, entstanden bei Ruth durch ihre grausamen Erlebnisse in Theresienstadt. Dadurch dass man beim Lesen erst nach und nach von Ruths Leben erfährt und wie es sich verändert, entschlüsselt sich auch nur nach und nach wie sich das bei allen drei Generationen im Charakter manifestiert. Ein roter Faden, der sich konstant durch das gesamte Buch zieht, sind die detaillierten Passagen über Musik. Der Autor versucht hier über musikalische Beschreibungen die Empfindungen der Charaktere greifbarer rüberzubringen. Für jemanden mit mehr Musikverständnis als ich sicher interessant. Ich habe diese Passagen irgendwann nur noch überflogen, weil mir dafür das Wissen und die Vorstellungskraft fehlt.Ich denke, auch der Schreibstil hat es mir schwierig gemacht, in die Geschichte reinzukommen. Die Interpunktion kam mir teilweise komisch vor.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch ein wichtiges Thema mit "vererbten Traumata" aufgreift, welches durch die eher schwierigen Charaktere gut dargestellt wird. Für mich haben Ruths Erzählungen über ihr Leben während und nach der NS-Zeit die Handlung getragen und vorangebracht.Es war nicht mein Buch, aber ich wünsche jedem, der doch danach greift, viel Spaß beim Lesen!Mondprinzessin