In "Schöne Scham" von Bianca Nawrath fahren zwei Paare (Amalia und Christian sowie Kata und Lenny) zusammen mit einer Single-Freundin (Kata's Cousine Ola) an die Ostsee. Anfangs ist die Stimmung gut im Sommerhaus, auch wenn es schon mal etwas Streit gibt. Vor allem Ola provoziert sehr, vor allem Christian ist genervt von ihren feministischen Ansichten und ihrer Direktheit. Kata möchte um jeden Preis die Harmonie innerhalb der Gruppe wahren, obwohl sie selbst ein bisschen Streit mit Lenny hat. Christian scheint Amalia gegenüber überfürsorglich zu sein, doch nach und nach irritiert sein Verhalten die anderen, besondes Ola. Als eines Morgens Ola und Amalia unaufffindbar sind, eskaliert die Lage im Sommerhaus ... Durch die wechselnden Erzählperspektiven bleibt das Buch abwechslundsreich und unterhaltsam.Die Charaktere sind alle sehr authentisch; besonders Ola hat mir sehr gut gefallen. Und Christians Charakter ist sehr gut herausgearbeitet; lange Zeit nimmt man ihm den liebevollen Partner wirklich ab, erst nach und nach zeigt sich, was unter der Oberfläche brodelt. Die Kapitel aus Amalias Perspektive waren oft schwer erträglich:".... vorbei an den blauen Flecken. Löst ihr Anblick etwas in Christian aus? ¿itleid, Schuldgefühl oder ist das einfach nur Begehren in seinem Blick? An guten Tagen betrachte ich meine blauen Flecken selbst mit leisem Stolz wie eine Handwerkerin nach getaner harter Arbeit die Hornhaut an ihren Händen. Es ist eine merkwürdige Art von Stolz, der zartbitter in der Kehle schmeckt. Mein Mann begehrt mich so sehr, dass er die Kontrolle über sich verliert, denke ich dann und lächle meinem Spiegelbild triumphierend zu. Manche Paare haben gar keinen S·x, wir sogar wilden. An schlechten Tagen sind die blauen Flecken einfach nur blaue Flecken, die wehtun und mich daran erinnern, dass ich doch Nein sagen wollte, wenn ich Nein denke. So schnell wird Stolz zu Scham. Aber warum eigentlich? Solange ich nicht Nein sage, ist es doch irgendwie immer noch meine Entscheidung." Und gerade im Wechsel mit Olas Passagen kommt das besonders stark rüber:"Ich kann nicht fassen, dass Amalia tatsächlich Richtung Treppe läuft. Ich trete an sie heran, doch sie macht eine abwehrende Geste."Du weißt nicht, was Christian alles durchgemacht hat, er ist kein schlechter ¿ensch."Eigentlich will sie sagen: Ich bin nicht dumm. Ich sehe die Scham in ihrem Blick, in den Falten auf ihrer Stirn. Auch nicht naiv. Bevor mir eine Erwiderung einfällt, die weniger kindisch ist als die Beleidigungen, die mir Christian gegenüber rausrutschen, hat sich Amalia bereits abgewandt und auf den Weg nach oben gemacht.¿¿acht der so was öfter?', frage ich Kata, in der Hoffnung, dass sie aufwacht. Keine Antwort ist auch eine Antwort. "Seht ihr, was hier passiert?!" Ich habe eine Weile verdrängt, wie sich die Verzweiflung früher angefühlt hat. Doch plötzlich ist es, als wäre ich wieder Kind und würde an ¿amas Schlafanzug zerren.¿Wie wäre es, wenn wir jetzt alle ins Bett gehen?', fragt Lenny, der ewige Diplomat. Das Beben in der Stimme kann er nicht verstecken. ¿¿orgen sieht die Welt bestimmt schon ganz anders aus.'Lenny und ich müssen in unterschiedlichen Welten leben. In meiner Welt gehört Christian nicht ins Bett, sondern in Therapie. ¿Können wir bitte die Freunde sein, die ich meiner ¿ama gewünscht hätte?', frage ich Lenny und Kata.Sie antworten nicht. Sie sehen mich nicht an." Ein Buch, das micht sehr gefesselt hat, auch wenn es zum Ende hin leider etwas schwächer wurde.Mit dem recht abrupten Ende bin ich nicht ganz glücklich, aber insgesamt hat mir Bianca Nawraths Umsetzung der Themen "Gewalt in Beziehungen", patriarchale Strukturen, Scham und Schuld, Freundschaft und Liebe gut gefallen. Ich vergebe 4 von 5 Sternen. Vielen Dank an die Frankfurter Verlagsanstalt und an NetGalley für dieses Rezensionsexemplar! ¿¿