Olive Kitteridge, die notorisch schlecht gelaunte und um bissige Kommentare nie verlegene pensionierte Lehrerin, lebt immer noch in Crosby, Main. Aber die Dinge sind im Wandel. Die langen, nicht enden wollenden Abende, die sie nun ohne ihren Mann Henry verbringen muss, machen ihr zu schaffen. Da tut sich in Form des etwas übergewichtigen ehemaligen Harvardprofessors Jack eine Lebensalternative für Olive auf.Wie bereits in "Mit Blick aufs Meer" setzt sich hier erneut aus kleinen Geschichten eine ganze Stadt zusammen. Wir treffen auf alte Bekannte und neue Menschen, die sich in Crosby tummeln und manchmal auch wieder gehen. Das Gehen ist das große Thema dieses Buches. Olive ist bereits über 70, die Endlichkeit des Lebens ist ihr bewußt und die Autorin scheut sich nicht, Olive weiter altern zu lassen, bis sie über 80 ist und von zahlreichen Zipperlein geplagt wird. In vielen Abschnitten spielen das Älterwerden, Sterben und der Tod eine Rolle. Aber alles ist umhüllt von der weichen Seeluft in Main und natürlich gewürzt mit Olives spitzen, grundehrlichen Bemerkungen.Es war schön, nochmal diesen Küstenort und seine Bewohner*innen besuchen zu können, aber ich denke, dass dieser Besuch auch ein Abschied war. Als eine Freundin von Olive sagt: "Ich habe so Angst, dass ich über die Brücke muss [...]" (S. 343), da habe ich mit den Tränen gekämpft. Wer das Buch gelesen hat, weiß, dass es sich um eine reale Brücke handelt und was auf der anderen Seite wartet.Wer "Mit Blick aufs Meer" gerne gelesen hat, wird auch diese Fortsetzung lieben, die man aber auch ohne Vorkenntnisse lesen kann. Empfehlen würde ich aber beide Romane. Strout schreibt irgendwie ganz "leichtfüßig", mit einem Blick für liebenswürdige oder tragische Figuren. Goodbye, Olive!