Wer ein hübsches, romantisches kleines Buch sucht, das zum Tanz im Abendkleid auf einem Ball animiert, ist hier falsch
HandlungDie Haushälterin Nelly erzählt die Geschichte eines 40 Jahre andauernden Dramas in ihren Arbeitgeberfamilien. Da ist die verwahrloste Familie um Mr. and Mrs. Earnshaw, Sohn Hindley und Tochter Cathrine sowie das Waisenkind Heathcliff auf der Sturmhöhe; auf der anderen Seite die gutbürgerliche Familie Linton auf der Thrushcross Grange im milden Tal. Heathcliff wird gedemütigt und verliert Cathrine, das Objekt seiner krankhaften Fixierung, und verbringt sein weiteres Leben damit, sadistische Rachepläne in die Tat umzusetzen.Gelesen habe ich die relativ neue Übersetzung von Wolfgang Schlüter, weil das englische Original für mein "Internet-Englisch" dann doch zu hoch bzw. alt war. Beim Entziffern der ins Deutsche umgewandelten Dialekte habe ich mich dann doch auch konzentrieren müssen.Mein EindruckSturmhöhe wird in der Popkultur gernein einem Atemzug mit Büchern wie Stolz und Vorurteil oder Jane Eyre genannt. Deshalb habe ich etwas ähnlich Sanftes erwartet.Die Ähnlichkeiten sind aber nur oberflächlich: alle spielen im England vor etwa 200 Jahren und haben eine Liebesbeziehung als zentrales Thema, das wars dann aber auch schon. Ich bin wegen meiner falschen Erwartungshaltung fast erschreckt, wie grob, richtig asozial und besessen sich die zentralen Personen schon im ersten Kapitel benehmen. Mit Ausnahme von Sex wird es sehr grafisch, inklusive Tierquälerei, häuslicher Gewalt, psychischer Folter und ausgegrabener Leichen.Nichts da mit zarter Romanze. Ich finde schon nur den Begriff "Liebesbeziehung" eigentlich unpassend.Die Figuren benehmen sich teilweise so extrem, dass sienur noch mit zugedrücktem Auge glaubwürdigwirken. Interessanterweise hat mich das aber überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil habe ich fasziniert und bis zum Schluss ohne Ahnung auf den weiteren Verlauf der Geschichte, alles aufgesogen.Den Titel finde ich so einfach wie passend. Nur das ungastliche Gut auf der Sturmhöhe, das nahe, gemütliche Thrushcross Grange als Kontrast und die umliegende Natur sind wichtig. Andere Orte werden kurz erwähnt, liegen aber wie im Nebel.Zu Beginn hat mich die Familienkonstellation verwirrt. Die Verwirrung löst sich aber mit etwas Geduld auf. Als gegen Ende der Geschichte die Umstände der einführenden Szene klar wurden, und sich die Rahmenhandlung mit der Haupthandlung vermischt hat, habe ich das erste Kapitel aus Neugier auf die neue Sichtweise nochmal gelesen. Und das tue ich wirklich selten.Ich habe mich dabei erwischt, wie ich beim Lesen Grimassen gezogen habe, sosehr haben mich die Figuren und ihre Handlungen aufgeregt. Die Sturmhöhe wird eindrücklich als schwarzes Loch beschrieben, dass das Gute in ihren Bewohnern aussaugt.Man wird beim Lesen teils genauso missgelaunt wie die Truppe, die dort in (teilweise selbst auferlegter) Geiselhaft lebt.Wer ein hübsches kleines Buch sucht, das zum Frohlocken auf der Blumenwiese oder zum Tanz im Abendkleid auf einem Ball animiert, ist am falschen Ort gelandet.Halloween würde als Anlass noch am ehesten passen. Wenn ich die wenigen schlechten Rezensionen lese, ist genau das der (m.M.n. unfaire) Grund für die schlechte Bewertung.Die Lektüre ist mir wirklich tief eingefahren und hat mich beeindruckt. Harmloser Eskapismus wars sicher nicht.