Die Geschichte der Achtundsechziger setzt sich nach dem glühend konfliktreichen dritten Teil "Sonnenflucht" nun in gedämpfteren Farben fort. Kein Wunder, sein Personal ist älter geworden, hat aber gleichwohl einen gewachsenen Lebenshunger. Obwohl die Handlung über 600 Seiten bedächtig ausgefaltet wird, begegnet Schöfers Prosa ihren Lesern doch mit leichtfüßigem Ton. Die schwierige Übung, sowohl breites Panorama als auch gestaffelte Chronik miteinander in Einklang zu bringen, gelingt über weite Strecken fließend. ...
Zumeist wird jedoch das Zeitgeschehen zur Geschichte seiner Figuren. So erleben wir etwas den Zusammenbruch der Stahlindustrie, wie er in Rheinhausen einsetzte, aus der Perspektive von Manfred Anklam, der die Fronten zwischen Belegschaft und Firmenleitung wechselt. In Details beschreibt Schöfer die Auflösungsprozesse von Gewerkschaft und politischer Linken mit seismographischer Genauigkeit. Eine Situation, die im Schlussbild gerinnt, als man während des Silvestertrubels 1989 nur noch mit freundlicher Sympathie über die vergessenen roten Fahnen vergangener Arbeitskämpfe lacht.
Längst haben die Verhältnisse eine Komplexität angenommen, die die ehemaligen Feindbilder des Klassenkampfes naiv anmuten lassen. Auch wenn die gesellschaftlichen Großereignisse wie der Widerstand gegen die Startbahn West, die Raketenstationierungen, die Etablierung der Frauenbegewegung oder der sich ankündigende Zusammenbruch des Sozialismus Stationen des Romans darstellen, wird es doch immer dort besonders interessant, wo es um die Einzelschicksale geht.
Etwas um das schwierige Schicksal des ehemaligen Lehrers Viktor Bliss, der in Griechenland verletzt wird. Faszinierend auch der Blick auf seine Frau Lena, die mit einem Liebhaber ein neues Leben als Schauspielerin beginnt.
Dass der Roman auffällig viele Liebesszenen enthält, verleiht nicht nur seiner Handlung Kraftstoff, sondern bezeugt auch jene versöhnliche Note, die Schöfer diesmal subtil zwischen den Zeilen aufkommen lässt.
Thomas Lindner, Kölnische Rundschau