Gérald Bronner, Professor für Soziologie an der Universität Paris VII, zitiert verständlicherweise die Ergebnisse vieler Studien, die am Ende von an weiteren französischen Instituten durchgeführten Forschungen und Tests festzustellen waren. Was nicht weiter stört, denn diese Ergebnisse sind durchaus nicht nur auf Deutschland, sondern auf nahezu alle Länder der Welt übertragbar.Beim Lesen des Buches sollte ein Fremdwörterbuch griffbereit liegen: einfach und flüssig zu lesen ist es nicht. Aber schon eine der ersten Feststellungen des Autors weckt das Interesse:"Ein Schatz von unschätzbarem Wert - Auf lange Sicht weist in der menschlichen Geschichte alles auf eine ständige Zunahme der verfügbaren Gehirnzeit hin." (S. 46)Und was geschieht in zunehmendem Maß mit dieser verfügbaren Gehirnzeit, also der Zeit, während der man eigenständig nachdenken oder auch die Natur geniessen könnte? Sie wird mit im Grunde genommen sinnlosem Starren auf den Bildschirm des PC oder in noch weitaus grösserem Maß Starren auf das Display des Smartphones vergeudet. Mit immer raffinierteren Tricks gelingt es den Beherrschern des Medien- und EDV-Marktes den Anwendern diese Zeit zu stehlen. Wer kennt sie nicht: die Fahrgäste in Bussen, UU-, S- und Straßenbahnen, Kinderwagen schiebende Mütter, Fußgänger, nahezu alle starren auf das Display, viele wischen wie die Wilden auf dem Mäuseklavier, 'Tastatur' genannt, ihres Smartphones rum. Als ob es nichts Wichtigeres, Schöneres, gäbe als zu erfahren, wie viele 'Likes' während der vergangenen paar Minuten hinzu gekommen sind. Von wildfremden Menschen..."In den letzten Jahren sind fast 300 Menschen durch "Selficide" ums Leben gekommen. So nennt man es, wenn Menschen den Versuch, ein Selfie zu machen, mit dem Leben bezahlen, weil sie dabei zu nah an einem Abgrund oder einem vorbeifahrenden Zug stehen oder sich zum Spaß eine Pistole an die Schläfe halten. [...] Manche natürlichen Landschaften werden von Millionen Instagram-Nutzern verunstaltet, die unbedingt 'das' außergewöhnliche Foto aufnehmen und verbreiten wollen." (Seite 122f.)"In öffentlichen Verkehrsmitteln, im Wartezimmer, ja selbst in unseren Betten beim Aufwachen oder Einschlafen vergeht kein Augenblick der Ruhe, in dem wir nicht versucht wären, uns die Leere durch einen Blick auf diese Geräte zu vertreiben. [...] ... Studie hat gezeigt, dass sich Versuchspersonen lieber Elektroschocks zufügen ließen als gezwungen zu sein, einen Augenblick der Stille (von 6 bis 15 Minuten Dauer) zu ertragen, die sie doch einfach mit Nachdenken hätten verbringen können." (Seite 246f.)Der Autor analysiert auch, wie es beispielsweise Donald Trump durch massive Nutzung seines seinerzeitigen Lieblingsmediums Twitter gelungen ist, trotz seiner abertausenden Lügen Präsident der USA zu werden und die Nation zu spalten.Es wird immer gefordert, den Kindern und Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit den neuen Medien zu vermitteln. Eine gerechtfertigte Forderung angesichts der alles durchdringenden Macht dieser Medien. Es ist jedoch keine schlechte Idee, sich nach der Lektüre dieses Buches selbst zu hinterfragen, ob man nicht selbst schon auf dem Weg in die 'kognitive Apokalypse' ist.