MitMadame Bovaryvon Gustave Flaubert konnte ich nun einen weiteren Klassiker von der Liste streichen. Wie bei allen Klassiker ist der Lesefluss ein anderer. Ich kann nachvollziehen, warum einige Menschen Klassiker als "langweilig" betiteln, denn auch auch ich brauche teilweise Konzentration und Geduld um solche Bücher zu lesen. Aber dann versuche ich mir vor Augen zu behalten, dass Menschen von über 150 Jahren ohne Fernseher und ohne Social Media einfach andere Aufmerksamkeitsspannen und generelles Spannungsempfinden hatten als wir. Auch waren viele Ort nur bestimmten Klassen vorbehalten, weswegen es häufig zu ausufernden Beschreibungen in Büchern kommt. Denn für einige Menschen war es vielleicht das erste Mal, dass Einblick in ein Herrenhaus beispielsweise bekamen.So, das vorne weg und nun zur eigentlich Rezension.Mir hatMadame Bovaryim Großen und Ganzen sehr gut gefallen. Im Vergleich zu anderen ähnlichen Frauencharakter wie beispielsweiseAnna KareninaoderTess d'Urbervillewar Emma für mich der spannendste. Denn obwohl sie keineswegs der sympathischste Charakter war, hatte sie Leidenschaften, Passionen und wollte mehr im Leben. Mir ist nämlich aufgefallen, dass andere Frauencharakter häufig sehr passiv sind: Ihnen widerfahren schreckliche Dinge aufgrund der Gesellschaft, gelegentlich lassen sie sich auf eine Affäre ein. Doch Emma fand sich in der gleichen Passivität und Enge ihres Schicksals wieder und auch wenn es ihr nicht immer gelang, so versuchte sie doch selbst Auswege aus ihrem Leid zu suchen. Ich konnte Emmas Depressionen sehr gut nachvollziehen. Sie sehnte sich nach Leidenschaft, Abenteuer und Kultur und musste sich mit der Bescheidenheit und der Eintönigkeit eines Mittelklassenlebens in der Provinz zufrieden geben. In vielerlei Hinsicht werden Stadt und Land immer wieder gegenüber gestellt. Ich bin mir dennoch unsicher, ob ich Madame Bovary als Kritik am ländlichen Leben lesen soll. Vielmehr wurde für mich der Eindruck vermittelt, dass Flaubert es kritisierte, dass es zu wenig Möglichkeiten gäbe von der Provinz in der Stadt zu ziehen, besonders als Frau. Zudem fehle es an Zugängen zu Bildung und Kultur.Diese Fragen beschäftigen uns auch heute noch. Weiterhin gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land und viele Vorurteile auf beiden Seiten. Es ist spannend sich vor Augen zu halten, welche Diskurse heute noch aktuell sind und wie lange sie schon geführt werden. Ich kann Madame Bovary für alle empfehlen, die schon einige Klassiker gelesen und daran Interesse haben. Als Einstieg würde ich vielleicht davon abraten, da um sich der Eintönigkeit und Aussichtslosigkeit Emmas bewusst zu werden, diese auch viel ausgeschrieben wird, wodurch das Buch streckweise wirklich etwas langweilig zu lesen sein. Trotzdem lohnt es sich. Ich fand es immer sehr witzig, wenn Emma plötzlich neue Hobbys und Hyperfixations fand, ihre ganze Identität daran anpasste, nur um nach einer Woche wieder davon gelangweilt zu sein bzw. ernüchternd feststellte, dass es ihr doch nicht die erhoffte Rettung aus ihrer Lage und mentalen Situation brachte.