Die Erfindung des Lebensist ein großartiges Buch von Ortheil. Darin schildert er, wie er lange Zeit mit seiner Mutter in einer stummen Symbiose lebte. Der Mutter hatte der Tod von vier Kindern die Sprache verschlagen, er selbst hörte mit drei Jahren auf zu sprechen. Behutsam holt ihn der Vater aus dieser sehr liebevollen, aber doch stummen Zweisamkeit und bringt ihn buchstäblich zur Sprache (ich habe das als Zivildienstleistender ganz ähnlich bei einem Kind erlebt, und auch dieses fing mit sieben Jahren bei mir erstmals an zu sprechen; ein großartiger Augenblick, den ich nie vergessen werde).Die Moselreiseist eine Wanderung, die Ortheils Vater und er ein paar Jahre nach dieser Grenzüberschreitung gemacht haben. Sie ist nicht nur ein Zeugnis einer behutsamen Einführung in die Welt (der Text wurde von Ortheil im Alter von elf Jahren geschrieben), sondern zugleich Beschreibung dessen, wie bei Ortheil bis heute Texte wachsen. Im Vorwort beschreibt er seine Vorgehensweise, die er schon als Elfjähriger beschritt, das Sammeln von Eindrücken, die Beschreibung von Situationen, Dingen, Menschen, die Zusammenstellung von Erlebniscollagen, die dann allmählich in einem Erzähltext münden, wie wir ihn mit derMoselreisevor uns haben. Das ist interessant zu lesen und eine hervorragende Schule des Schreibens und der eigenen Aufmerksamkeit. Wir lesen, wie der Vater den Sohn langsam in die Selbstständigkeit führt, ihm Ängste nicht nimmt, sondern dabei hilft, dass der Sohn diese aus eigener Kraft überwinden kann.Toll fand ich z. B., wie der Vater seinem Sohn erläutert, wie man mit Menschen ins Gespräch kommt. Das ist unmittelbare Lebensschule und ein weiterer Schritt aus der ehemaligen Sprachlosigkeit. Oder, und dies ist lustig, wie der Vater den Sohn in die Kunst des Weinverkostens einführt (der Sohn darf dies mit Traubensaft nachvollziehen).Ich werde auch noch dieBerlinreiselesen und gebe für dieMoselreiseeine ausdrückliche Leseempfehlung.