Besprechung vom 30.06.2025
Eine glänzende Zukunft
Die Zuversicht des früheren McKinsey-Europachefs
Wer die ersten zehn Buchveröffentlichungen von Herbert Henzler kennt, weiß: Bei ihm geht es (fast) immer gut aus. Vielleicht hätte sein aktuelles Werk auch den Titel tragen können: Ihr könnt es eigentlich besser haben. Auf knapp 250 Seiten entfaltet er in professioneller Beratermanier und am Puls der Zeit, was in unserer Gesellschaft im Argen liegt, und will das Ruder herumreißen - faktenbasiert, kenntnisreich, dabei nie klagend oder abgehoben.
Anstatt sich in allgemeinen Betrachtungen zu verlieren, legt Henzler präzise den Finger in die Wunden einer saturierten und überalternden Gesellschaft. Er analysiert politische Risiken, technologische Chancen und wirtschaftliche Schwächen. Als ehemaliger Deutschland- und späterer Europachef von McKinsey verfügt er über ein außergewöhnlich breites und tiefes Wissen. Henzler scheut sich nicht vor klaren Positionen. Zwar verfolgen auch andere Autoren dieses Ziel, und es gibt zahlreiche Studien, die breiter angelegt sind - doch Henzler bietet ein verständliches, schlüssiges Gesamtbild. Dafür gibt es in unserer krisengeschüttelten Zeit einen großen Bedarf.
Kapitel für Kapitel arbeitet er sich durch die Problemzonen unseres Landes: freie Märkte, Globalisierung, Nachhaltigkeit, Rechtsruck, ungleiche Vermögensverteilung und weitere. Er erkennt die Alterserscheinungen des deutschen Erfolgsmodells an vielen Stellen und zeigt sich fasziniert von der Künstlichen Intelligenz - einer Technologie, die er nacheinander als kolossale Idee, kontinuierlichen Innovationsdruck, krasse Irritation, Kollaps inklusive, und schließlich als kollektive Intelligenz beschreibt.
Henzlers Beitrag liegt weniger in der bloßen Benennung von Problemen oder der Tiefe seiner Analyse, sondern vielmehr in seinem Umgang damit. Mit gesundem Menschenverstand holt er die Themen aus ihrer abstrakten Höhe und denkt sie aus der Perspektive eines lösungsorientierten Unternehmers weiter. Aus Beratersicht identifiziert er fünf zentrale Problemfelder: das Generationenproblem, das Führungs- und Verantwortungsproblem, das Messgrößenproblem, das Transparenzproblem und das Toleranzproblem. Mit der Klarheit seines Denkens und seiner Sprache gelingt es ihm, seine Sicht der Dinge überzeugend darzulegen - stets getragen von der Überzeugung: Das ist kein unabwendbares Schicksal - es kann wieder anders werden. Hier spricht Henzler als Deutschland-Berater.
Immer wieder rückt er die notwendige Verständigung zwischen den Generationen - etwa zwischen den Babyboomern und der Generation Z - in den Fokus. Darin sieht er den Schlüssel für ein gemeinsames Zukunftsverständnis und eine Neuformulierung des Generationenvertrags. Mit feinem Gespür analysiert er Motivationsverluste und gesellschaftlichen Zerfall - anomische Prozesse, die sich immer dann verstärken, wenn das Aufstiegsversprechen "als Hauptgewinn der Lotterie des Lebens" für die nachfolgende Generation brüchig wird. Henzler bringt es auf den Punkt: Das Wirtschaftswunderland Deutschland hat seinen Zenit überschritten - und muss sich neu ausrichten. Sein Buch leistet hierfür wertvolle Orientierungsarbeit.
In einem Interview über sein christliches Menschenbild sagte er einmal: "Der Glaube gibt einem das untrügliche Gefühl dafür, was richtig ist." Diese innere Sicherheit ist die Stärke seines Buches. Dabei profitiert er von einem Erfahrungsschatz, der weit über das Beraterdasein hinausgeht: vom Bergsteiger über den Reformationsbotschafter, Politikberater und Investor bis hin zum Literaturkenner. Es wirkt sympathisch, wenn der Autor seinen eigenen Lebensweg beschreibt und auch seine McKinsey-Perspektive thematisiert.
Was dieses Buch von vielen anderen unterscheidet, ist Henzlers unerschütterliche Zuversicht. In einer dystopisch geprägten Zeit voller Ängste und Verunsicherung meldet sich ein Hochbegabter seiner Generation zu Wort (Jahrgang 1941), der das westdeutsche Wirtschaftswunder miterlebt und mitgestaltet hat. Nun, im neunten Lebensjahrzehnt, erkennt er dessen Ende - doch den Kopf lässt er nicht hängen. Sein Buch richtet sich vor allem an die junge Generation und appelliert an ihr Talent und ihre Kreativität. Er will sie ermutigen, andere Wege in der Arbeitswelt zu gehen, Wachstum neu zu denken und Mensch-Maschine-Symbiosen zu fördern.
Wie schon in vielen seiner früheren Bücher betont Henzler auch diesmal eindringlich die Bedeutung psychologischer Faktoren, menschlicher Werte und sozialer Kompetenzen. Damit hebt er sich deutlich von jenen Ökonomen ab, die kulturelle und soziale Prozesse lediglich als Randbedingungen oder gar als störende Einflüsse rationaler Entscheidungsfindung betrachten. Durch seine lebensnahen Schilderungen gewinnen seine Argumente an Überzeugungskraft - und dürften viele Leser unmittelbar ansprechen.
Besonders eindrucksvoll ist Henzlers Ausblick: "In einer Gesellschaft, die Leistung durch Glück als Ziel ersetzt, müsste folgerichtig auch mehr Lebensglück das Ergebnis sein. Und das, finde ich, wäre eine glänzende Zukunft." Es ist womöglich sein bisher wichtigstes Buch. TIMO MEYNHARDT
Herbert Henzler: "Ihr solltet es eigentlich mal besser haben". Was Babyboomer und Generation Z voneinander wissen sollten. Hanser Verlag, München 2025, 284 Seiten
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.Es wurden noch keine Bewertungen abgegeben. Schreiben Sie die erste Bewertung zu "Ihr solltet es eigentlich mal besser haben" und helfen Sie damit anderen bei der Kaufentscheidung.