Iliana Xanders Love, Mom ist ein Thriller, der mit einer ebenso emotionalen wie verstörenden Grundidee spielt: Was, wenn die tote Mutter, gefeierte Bestsellerautorin und Medienikone, nach ihrem Tod plötzlich wieder "spricht", und zwar durch Briefe, die alles, was man über sie zu wissen glaubte, infrage stellen?Im Zentrum steht Mackenzie Casper, die nach dem plötzlichen Tod ihrer berühmten Mutter in ein Netz aus Lügen, Geheimnissen und familiären Abgründen gerät. Die Mischung aus Trauerbewältigung, Medienrummel und düsterer Vergangenheitsbewältigung wirkt auf den ersten Blick wie ein klassischer Psychothriller und doch hat Love, Mom seinen ganz eigenen Ton. Der Roman bewegt sich geschickt zwischen familiärem Drama und echter Spannung, wobei der flapsige, junge Erzählstil Mackenzies Innenwelt authentisch widerspiegelt. Ihr Gothic-Look, ihr schwarzer Humor und ihr emotionales Chaos machen sie zu einer glaubwürdigen, wenn auch nicht immer sympathischen Protagonistin.Der Aufbau mit drei Teilen, mehreren Perspektiven und zwei Zeitebenen funktioniert grundsätzlich gut. Besonders die eingeschobenen Briefe der Mutter sind ein starker erzählerischer Kniff, sie geben dem Buch eine bedrückende Intimität und lassen die Lesenden förmlich über die Schulter einer Toten blicken. Auch das Ende überzeugt: Alle losen Fäden werden sauber verknüpft, und der Epilog bietet einen runden Abschluss ohne unnötige Cliffhanger.Allerdings hat der Roman auch deutliche Schwächen. Die Spannung, so dicht sie anfangs scheint, verliert in der Mitte etwas an Tempo. Einige Enthüllungen sind früh absehbar, sodass der "Wow"-Effekt später abgeschwächt wirkt. Zudem bleiben die Figuren, allen voran Mackenzie, teilweise zu oberflächlich gezeichnet. Ihre Entwicklung wirkt glaubhaft, aber emotional distanziert; man beobachtet sie mehr, als dass man mit ihr fühlt. Der Text kratzt mehrfach an psychologischer Tiefe, ohne ganz hineinzutauchen. Das ist schade, weil genau dort das Potenzial für einen wirklich packenden Pageturner gelegen hätte.Positiv hervorzuheben sind dagegen die Sprache und das Gespür der Autorin für Atmosphäre. Der Wechsel zwischen makaberem Humor und düsterer Ernsthaftigkeit erinnert stellenweise an Netflix-Thriller mit Coming-of-Age-Note. Auch handwerklich ist der Roman sauber strukturiert, mit gut getakteten Wendungen und klarer Erzählstimme.Fazit:Love, Mom ist ein spannendes, unterhaltsames Thriller-Debüt mit cleverer Prämisse und einer dichten Atmosphäre, das seine Stärken vor allem in der Idee und im emotionalen Konzept hat. Kleine Längen, etwas vorhersehbare Wendungen und flache Figuren verhindern jedoch, dass es in die oberste Liga des Genres aufsteigt.Für Fans moderner Psychothriller mit familiärem Twist und Coming-of-Age-Einschlag ist es dennoch eine lohnende Lektüre.