Eine Frau auf der Suche nach Wahrheit, Liebe und ihren Wurzeln
1866 erblickt Emilia del Valle in San Francisco das Licht der Welt - sie ist die Tochter einer irischen Nonne und eines chilenischen Aristokraten, großgezogen wird sie von ihrem liebevollen Stiefvater, in einem ärmlichen Viertel in San Francisco. Von klein auf eigensinnig, beeindruckt sie wenig, was andere für richtig halten, ihre große Leidenschaft ist das Schreiben. Siebzehnjährig veröffentlicht sie, unter männlichem Pseudonym, erfolgreich Groschenromane, doch das echte Leben findet sie abenteuerlicher und wird Reporterin bei einer Zeitung. Ihr Kollege ist Eric, ein junger Mann mit großer Strahlkraft, und gemeinsam gehen sie nach Chile, in das Land ihrer Vorfahren, über den sich anbahnenden Bürgerkrieg zu berichten. Emilia und Eric kommen sich näher - ist das Liebe? -, und während Emilia immer tiefer in die Geschichte ihres Vaters eintaucht, gerät sie selbst zwischen die Fronten: Sie muss sich nicht nur der Gefahr, sondern auch den drängenden Fragen nach ihrer eigenen Herkunft stellen.
Mein Name ist Emilia del Valle ist die Geschichte einer Frau, die über alle Konventionen hinweg ihren eigenen Weg zu gehen versucht, ein fesselnder historischer Roman über schmerzhafte Liebe und unverbrüchlichen Mut - erzählt von einer der »Meistererzählerinnen unserer Zeit« (Vogue).
Besprechung vom 02.08.2025
Wild und wach im chilenischen Bürgerkrieg
Durchaus auch in eigener Sache geschrieben: Isabel Allendes neuer Roman "Mein Name ist Emilia del Valle"
Ist es möglich, eine Rezension über einen Roman von Isabel Allende zu schreiben? Mit ihren astronomischen Verkaufszahlen und Übersetzungen in Dutzende von Sprachen scheint die chilenisch-amerikanische Autorin eine Größe zu sein, die sich mit den Mitteln der Literaturkritik kaum fassen lässt. In Deutschland erscheint Allende seit jeher im Suhrkamp Verlag, weniger eine Reminiszenz an den lateinamerikanischen Boom als vielmehr wie zum Zeichen dafür, dass die Marke der literarischen Hochkultur sich dem Gefälligen längst nicht mehr verschließt.
Versuchen wir es unbefangen: "Mein Name ist Emilia del Valle" ist ein historischer Roman, der Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Kalifornien und Chile angesiedelt ist. Die Protagonistin wächst in dem durch die mexikanische Bevölkerung geprägten Mission District in San Francisco auf, bei ihrer irischstämmigen Mutter Molly Walsh und ihrem geliebten Stiefvater Francisco Claro, einem mexikanischen Mestizen - der leibliche Vater, ein chilenischer Aristokrat, hatte sich aus dem Staub gemacht, nachdem er die eigentlich als Nonne bestimmte Mutter verführt hatte.
Beeinflusst durch den Charakter ihres Stiefvaters, des engagierten Gründers einer spanischsprachigen Schule, entwickelt sich Emilia zu einer selbstbewussten, abenteuerlustigen jungen Frau, die mit den sozialen Normen ihrer Zeit bricht. Schon früh hat sie Erfolg mit dem Verfassen von Groschenromanen, die sie unter einem männlichen Pseudonym veröffentlicht. Mit eisernem Willen schafft sie es, als Journalistin der Zeitung "Daily Examiner" angestellt zu werden. Bald berichtet sie aus New York, um schließlich als Korrespondentin über den in Chile ausgebrochenen Bürgerkrieg (Januar bis September 1891) zu schreiben, in Zusammenarbeit mit ihrem Kollegen irischer Herkunft, Eric Whelan ("der beste Journalist von Kalifornien"), in den sie sich verlieben wird. Wie die Erzählerin erklärt, gehörte die Zeitung William Randolph Hearst; "es hieß, er habe zukunftsweisende Ideen, und er nahm Illustratoren und Autoren wie Jack London, Ambrose Bierce und Mark Twain unter Vertrag".
Einige der Berichte von Emilia aus Chile - die schließlich erwirken kann, dass sie nun unter ihrem richtigen Namen schreiben darf - sind im Roman abgedruckt. Sie illustrieren das damalige enorme internationale Interesse an dem Krieg, und sie kondensieren gewissermaßen die Funktion des historischen Romans, einem nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich entfernten Publikum die Umstände dieses Krieges, der mehr als 4000 Tote forderte, zu vermitteln. Der liberale und zugleich sehr autoritäre chilenische Präsident José Manuel Balmaceda wird bekämpft durch die den Kongress unterstützende Opposition, getragen von den um ihre Privilegien bangenden gesellschaftlichen Eliten. Nach extrem gewalttätigen und verlustreichen militärischen Auseinandersetzungen, die die Niederlage der Regierungspartei und der liberalen Republik besiegeln, begeht Balmaceda Suizid, ein Umstand, der schließlich zur allmählichen Befriedung beiträgt - wie der Roman anschaulich herausarbeitet.
Emilia hatte die Berichterstattung für die Seite des Präsidenten übernommen, der auch von amerikanischer Seite unterstützt wurde (wirtschaftliche Interessen an den Salpetervorräten standen auf dem Spiel), was dazu führt, dass sie wegen Spionageverdachts von den siegreichen Aufständischen inhaftiert wird. Kurz vor dessen Tod begegnet Emilia schließlich ihrem Vater Gonzalo Andrés del Valle, der sie nunmehr als seine Tochter anerkennt. Er kann ihr zwar nicht, wie von ihrer Mutter erhofft, ein großes Erbe vermachen, dafür aber ein Stück Land im äußersten Süden Chiles, zu dem sich Emilia aufmacht, um dort ihre eigentlichen, chilenischen Wurzeln zu entdecken.
Allende, deren literarische Karriere einst auch mit dem Journalismus begann, ist sichtlich bemüht, die fiktiven Figuren mit den historisch verbürgten Personen in Bezug zu setzen. So erhält die Journalistin Emilia (deren Familie väterlicherseits Kontakte in die höchsten gesellschaftlichen Kreise unterhält) kurz Zutritt zum Präsidenten Balmaceda. Seit Walter Scotts "Waverley" ist eine solche Verbindung von Fiktion und Realität ein Grundprinzip des historischen Romans. Bei Allende steht die Ich-Erzählung der Protagonistin im Dienst der Vergegenwärtigung. Allerdings führt dies dazu, dass Emilia auch all die historischen Erklärungen und distanzierenden Einschätzungen überlasen sind, die sonst von einer allwissenden Erzählposition vorgetragen werden. Längere Abschnitte handeln mitunter auch vom Erleben anderer Personen, das der Erzählerin Emilia allenfalls indirekt zugänglich sein kann.
Gewiss beabsichtigt Allende, uns durch das abenteuerliche Leben von Emilia auch die Genese einer Schriftstellerin zu zeigen - das ändert aber nichts daran, dass dies eine sehr konstruierte, letztlich farblose Stimme ist, die ihren eigenen Bildungsroman vor sich her trägt. Immer wieder stellt Emilia so ihren Mut heraus, immer wieder prangert sie die limitierten Möglichkeiten von Frauen in der Gesellschaft ihrer Zeit an, so auch die Erwartung, dass Schriftstellerinnen "bei den romantischen Themen bleiben" oder Journalistinnen für "Human-Interest-Artikel" zuständig seien - als hätte sie ihre eigene Pionierhaftigkeit stets vor Augen.
Diese Erzählstimme (die natürlich immer auch diejenige von Allende ist) wirkt nicht nur anachronistisch (das muss nicht zwangsläufig ein Problem sein), sie schwankt auch zwischen einer nüchtern-journalistischen und einer exaltiert romantischen Tonlage. Allende ist eine (zu) routinierte Erzählerin, die mit diesem Roman und der Geschichte der Familie Del Valle noch einmal an die Mischung aus Emotionalität und historischem Panorama anknüpfen will, wie dies im "Geisterhaus" der Fall war.
Für die in Kalifornien lebende Autorin ist die amerikanisch-chilenische Thematik des Romans zweifellos eine Herzensangelegenheit, die historischen Zusammenhänge sind effektvoll, oft auch effekthascherisch inszeniert. Ein besonderer literarischer Stil oder komplexere Erzählverfahren sind Allendes Sache nicht. Das Ende des Romans bildet ein Epilog von Eric Whelan, der mit den Worten schließt: "Emilia ist ein wilder und wacher Geist. Ich werde sie nie festhalten können, aber ich hoffe, ich kann sie begleiten und unsere Liebe hält uns für immer zusammen." Dieses Ende verkörpert in nuce die Atmosphäre sentimentalisch-rebellischer Romantik, die Allende ihrem Lesepublikum zuverlässig liefern zu müssen glaubt. JOBST WELGE
Isabel Allende: "Mein Name ist Emilia del Valle". Roman.
Aus dem Spanischen
von Svenja Becker.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2025. 359 S., geb.
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