Als ich Die Gegenspielerin begonnen habe, war ich sofort von der Stimmung auf der Riverside Road gefangen. Es hat etwas Trügerisches, beinahe Unwirkliches: eine Straße, in der die Nachbarschaft noch funktioniert und doch spürt man schon früh, dass hinter diesen Mauern etwas brodelt. Genau diese Art von unterschwelliger Spannung mag ich bei Thrillern gerne.
Ich habe schnell gemerkt, dass Anna keine klassische Beobachterin ist. Während sie versucht, die Fassade der Nachbarn zu durchdringen, hat mich vor allem gefragt: Was verbirgt sie selbst? Diese Doppelspannung das Geschehen um Dr. Taylors Tod und Annas eigener innerer Konflikt hat mich richtig in das Buch hineingezogen.
Anna wirkt auf den ersten Blick ruhig, reflektiert und kontrolliert, doch ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass in ihr etwas Unausgesprochenes mitschwingt. Kleine Andeutungen, kurze Gedankensprünge, Momente, in denen sie sich selbst korrigiert all das wirkte auf mich wie feine Risse in einer sehr sorgfältig aufgebauten Fassade.
Jill Chields arbeitet nicht mit übertriebenen Schockmomenten, sondern mit leisen Veränderungen und Wendungen. Der Schreibstil dazu ist flüssig mit ruhiger, unspektakulärer Ausdrucksweise.
Der eigentliche Kern des Thrillers ist für mich aber Annas Vergangenheit. Als sich nach und nach die Hinweise mehren, dass der aktuelle Fall mit einem früheren Trauma zusammenhängt, wurde das Buch richtig spannend. Man merkt, dass die Autorin nicht nur einen Mordfall erzählt, sondern gleichzeitig das innere Gefängnis einer Frau offenlegt, die jahrelang versucht hat, weiterzuleben, ohne sich ihren Dämonen zu stellen.
Die Gegenspielerin ist nicht nur ein Thriller über einen Mord, sondern über das, was Angst mit einem Menschen macht und wie schwer es ist, sich einer Vergangenheit zu stellen, die man am liebsten für immer begraben hätte.