Zwischendurch ein Klassiker. Ein früher Roth (1924 geschrieben und veröffentlicht), aber schon sein Lebensthema: der Untergang einer Epoche. Gabriel Dan kommt aus der russischen Kriegsgefangenschaft. Er strandet im Hotel Savoy, einer ganz eigenen Welt, einem Mikrokosmos. In den oberen Etagen wohnen die, die nichts haben. Die, die im Varieté arbeiten und ihre Koffer an den Liftboy verpfänden, wenn sie die Rechnung nicht mehr zahlen können. Die, die sich bei Gelegenheitsarbeiten ein paar Zloty verdienen und eigentlich die Revolution ausrufen wollen, Die, die auf dem Schwarzmarkt mit Valuta handeln, geträumte Glückslosnummern verkaufen und auf den Milliardär aus Amerika warten, das personifizierte Glücksversprechen. Weiter unten im Hotel gehen die Uhren in den Gängen langsamer, denn da wohnen die Reichen, die, die Zeit haben. Reichtum und Armut auf engstem Raum.Erzählt wird aus der Perspektive des jüdischen Kriegsheimkehrers Gabriel. Er ist heimatlos, will nach Westen, vielleicht zurück in die Leopoldstadt, obwohl er dort niemand mehr hat. Vorerst bleibt er aber im Hotel hängen, verliebt sich, macht kleine Geschäfte. Ein Gesellschaftspanorama der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Ganz wenig Handlung, viele farbige Charakterskizzen, viel szenisches Erzählen. Und vor allem eine so schöne Sprache."Es ging ihnen schlecht, den Menschen. Das Schicksal bereiteten sie sich selbst und glaubten, es käme von Gott. Sie waren gefangen in Überlieferungen, ihr Herz hing an tausend Fäden, und ihre Hände spannen sich selbst die Fäden. Auf allen Wegen ihres Lebens standen die Verbotstafeln ihres Gottes, ihrer Polizei, ihrer Könige, ihres Standes. Hier durften sie nicht weitergehn und dort nicht bleiben. Und nachdem sie so ein paar Jahrzehnte gezappelt, geirrt hatten und ratlos gewesen, starben sie im Bett und hinterließen ihr Elend ihren Nachkommen."Nicht ganz so eindrucksvoll wie der "Radetzkymarsch", aber allemal lesenswert.