George Lennox erster Eindruck von dieser winzigen, weit vor der Westküste Schottlands gelegenen Insel, ist frostig. Der Wind peitscht den Regen aufs Polizeiboot, das sie und ihr Kollege Richie auf diese unwirtliche Insel bringt. Ein tragischer Todesfall muss untersucht werden, dafür bleiben sie für ein paar Tage hier. Alan Ferguson, ein junger Mann, soll sich vom Leuchtturm der Insel zu Tode gestürzt haben, zumindest lässt sein Auffinden am Fuße des Leuchtturms darauf schließen.
Laura McCluskeys Romandebüt ist eher eine ziemlich makabere Milieustudie der besonderen Art. Sie ist ganz nah an den Inselbewohnern, von denen sie schon einiges preisgibt, wenngleich keiner dieser schweigsamen, geheimnisumwitterten Gestalten zu durchschauen ist. Schroff wie die Felsen ihrer Heimat, dunkel wie die steilen Klippen kommen sie mir vor. 206 Seelen sind es, die hier auf diesem Felshaufen leben.
Gleich bei Georges Ankunft gibt Kathy, die neben anderer Aufgaben auch Postmeisterin ist, ihr die Aufzeichnungen der vor langer Zeit verschollenen Leuchtturmwärter zu lesen. Was verspricht sie sich davon? Der Leuchtturm ist seit 1919 nicht mehr in Betrieb, heute dient er als heimlicher Treffpunkt für Jung und Alt. Kaum vorstellbar, dass das Schicksal dieser drei Männer mit Alans Tod zu tun haben könnte. Oder doch? Noch tappe ich völlig im Dunkeln.
Dass die beiden Ermittler unerwünscht sind, bekommen sie auch hautnah zu spüren. Da ist jemand mit einer Wolfsmaske, dem George hinterherläuft, dieser Wolf jedoch im Nichts zu verschwinden scheint. Und da ist diese Stille, die sich anfühlt, als ob ein Lauscher ganz nah wäre und nur darauf lauert, zuzuschlagen wie auch immer dies enden wird. Seltsames geschieht, verstandesmäßig nicht erklärbar, dazu dieser Aberglaube und diese unheimliche Mitgift, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Zu diesem Inselvolk passen die Witterungsverhältnisse perfekt. Karg, windgepeitscht, mit Schnee und Eis und die nächtlichen Verfolgungsjagden, hinein in den finsteren Wald, vor dem gewarnt wird, dazu die eiskalte See, die durchnässten Kleider all dies ist so treffend geschildert, dass man beim Lesen direkt fröstelt.
Es sind so einige Insulaner, die in all ihren Eigenheiten beschrieben sind, zu jedem habe ich ein Bild vor Augen. Die meisten sind ziemlich mürrisch und abweisend, andere dagegen direkt gastfreundlich. Und doch ist so manch Eindruck trügerisch. Auch George, die eigentlich Georgina heißt, jedoch die männliche Form bevorzugt, hat mit sich selbst zu kämpfen. Was genau das ist, wird dem Ende zu aufgelöst, zwischendurch sind es eher kurze Andeutungen. Alles fügt sich irgendwie. Nicht so, wie man es vermutet hätte, aber doch nachvollziehbar.
Wolfskälte ist ein fesselnder Kriminalroman vor unwirtlicher Kulisse, der ein schier unfassbares Szenario aufzeigt. Die kriminalistischen Elemente sind immer spürbar und je weiter sich die Story entwickelt, desto sichtbarer wird das Unfassbare. Mich hat Laura McCluskey mit ihrem Romandebüt sofort abgeholt und mich zudem gut unterhalten.