Wenn Schweigen Trauma wird. Aus traumhafter Sprache in die raue Wirklichkeit.
Passend zu Lebensversicherung von Kathrin Bach folgt hier Blinde Geister, denn auch in diesem für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman geht es um Angst. Olivia übernimmt die Traumata ihres Vaters, die Angst, die durch Sprachlosigkeit nicht aufgelöst wurde, geht über in die Tochter und lebt fort. Ihre Frage, repräsentativ für die Fragen der Nachgeborenen an die Kriegsgeneration, laufen ins Leere, werden rigoros geblockt. Mehr und mehr wird dieses Schweigen in der zeitgenössischen Literatur thematisiiert. Kürzlich erfuhr ich, dass die Krautrockbewegung auf dieser Ohnmacht fusst und mit neuem künstlerischen Ausdruck eine Sprache fand.In Olivia stecken also tief verwurzelte Ängste. Sie wächst auf mit der Angst der Eltern vor einem neuen Krieg, und irgendwo ist immer Krieg. Der Vater prüft ständig die Vorräte im hauseigenen Schutzkeller, in den sich die Familie immer wieder tagelang flüchtet. Die wachsende Unruhe geht auf Olivia über, die latente Bedrohung ist überall. Beim Namen genannt werden diese Ängste erst, als Olivia selbst eine Tochter hat, die sie auch - längst erwachsen - vor diesem Gefühl schützen möchte. Erst als 2022 der Krieg vor der eigenen Haustür scheint, beginnt die Tochter zu verstehen, das vorher Belächelte wirkt greifbar nahe. Ich weiss wie das ist. Ich weiss, wie das ist, wenn Ängste über Generationen in der Familie weitergegeben werden. Die älteren Jahrgänge hatten weder die Zeit noch den Luxus, sich darum zu bemühen, diese Ängste aufzulösen. Wir sind die Privilegierten, die das können. Keine Kriege, keine Not, Raum für Reflexion, eine psychotherapeutische Landschaft, die jedes menschliche Befinden kennt. Mir hat das Buch gefallen. Bis zum Ende hab ich nicht ganz verstanden, warum die Eltern am Anfang auf dem Boden liegen, aber das ist unwichtig. Der Umgang mit der fremden Angst, den Rissen in der Geschichte, das Suchen nach sich selbst in all den Gefühlen auferlegter Verantwortung für das Wohlbefinden anderer, das ist hier mal ganz anders umgesetzt und bezieht die stumme Nachkriegszeit mit ein, die immer noch Wellen schlägt. Wie gut, dass sie in der Literatur immer weiter Einzug hält. Allein das Fazit am Ende lehne ich ab. Entschieden. Die Angst gehört nicht dazu.