Ich wollte es mögen
Lina Schwenk erzählt eine Geschichte, die eigentlich super spannend klingt: transgenerationales Trauma, eine Familie im Schatten des Kriegs, ein Vater, der nie loslassen kann, eine Tochter, die mit den Ängsten groß wird und in der Gegenwart mit ihrer eigenen Psyche kämpft. Über mehrere Jahrzehnte hinweg folgen wir Olivia, die versucht, zwischen dem Schweigen ihrer Eltern und dem Lärm ihrer eigenen Gedanken irgendwie ein Leben zu führen. Aber: Ich bin leider nicht warm mit dem Buch geworden. Thematisch? Voll mein Ding. Stilistisch? Leider gar nicht.Ich hatte ehrlich gesagt mit etwas mehr Klarheit gerechnet oder zumindest mit einem roten Faden, der sich durchzieht. Aber die Erzählweise ist so fragmentiert, so sprunghaft, dass ich mich streckenweise eher verloren als berührt gefühlt hab. Szenen tauchen auf, ohne Kontext, Zeitebenen wechseln ohne Vorwarnung und die Figuren bleiben oft in einer Art Nebel hängen. Ich hatte mehrmals das Gefühl, dass mir was entgleitet, dass ich knapp an der Emotion vorbeischramme, obwohl sie da sein müsste.Olivia als Figur ist eigentlich total interessant. Ihr Blick auf die Welt, ihr Erleben, ihre Angst...all das hätte Potenzial gehabt, mich emotional voll reinzuziehen. Aber irgendwie war immer so eine Art Scheibe zwischen mir und ihr. Ich hab verstanden, was sie durchmacht. Ich hab's aber selten wirklich gespürt. Auch Mutter Rita und Vater Karl bleiben eher Symbole als echte Menschen. Sie stehen für was, aber sie leben für mich nicht. Und gerade das fand ich schade, weil das Thema eigentlich so menschlich ist.Ich hab überhaupt nichts gegen anspruchsvolle Literatur, ich lese sie sogar sehr oft. Ich mag Bücher, die mich fordern, die ich nicht beim Lesen, sondern erst beim Nachdenken verstehe. Aber hier war's eher so: Ich hab gesucht, gelesen und am Ende das Gefühl gehabt, emotional trotzdem außen vor geblieben zu sein. Der Stil ist definitiv bewusst gewählt, literarisch, kunstvoll, aber für mich leider auch zu verkopft und zu wenig zugänglich. Ich musste mich durchkämpfen. Und dafür hat's mich nicht genug berührt.Trotzdem: Das Buch zeigt sehr eindrücklich, wie sich Traumata durch Generationen ziehen. Wie Ängste vererbt werden können, nicht nur biologisch, sondern atmosphärisch. Wie Kinder sich in elterlichen Schweigen einnisten und dieses Schweigen irgendwann ihr eigenes wird. Und ja, ich verstehe, warum dieses Buch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet ist. Es ist formal anspruchsvoll, thematisch relevant, politisch wie psychologisch aufgeladen. Aber meins war es leider nicht.Fazit: "Blinde Geister" hat bei mir leider nicht das ausgelöst, was ich mir erhofft hatte. Ein wichtiges Thema, aber in einer Form, mit der ich einfach nicht connecten konnte.