Aleksandra ist noch jung, als sie während des Zweiten Weltkrieges als Zwangsarbeiter aus ihrer Heimat in der Ost-Ukraine nach Deutschland verfrachtet wird. Nach Kriegsende kehrt sie nicht zurück, sondern zieht in die Niederlande, heiratet zweimal, bekommt Kinder. Mit ihrer Familie in der Ukraine bleibt der Kontakt bestehen.2018 ist Aleksandra 94 und beauftragt ihre Enkelin Lisa, nach Lugansk zu fahren, um das Grab ihres 2015 verschollenen Onkels Koljas zu finden. Sie soll ihm ein Tuch bringen, das mit den Lebens- und Todeslinien der Familie bestickt ist, damit Kolja im Jenseits seinen Seelenfrieden finden kann.In Lugansk angekommen, gerät Lisa sofort in den Palast der Erinnerungen, eine Art magischen Ort der verlorenen Don Kosaken, die nicht in Frieden gestorben sind. Hier trifft sie ihren vor langem verstorbenen Urgroßvater und beginnt mit ihm eine Reise durch die Geschichte dieses Teils des Landes und ihrer Familie.Ich habe ¿Aleksandra¿ von Lisa Weeda dreimal angefangen, bevor ich mich dazu durchringen konnte, es ganz zu lesen. Für mich war die Lektüre in erster Linie Chaos. Dabei bin ich gar keine Gegnerin von Wechseln in der Zeitebene und Erzählperspektive. Im Gegenteil, es ist meistens eine Bereicherung, wenn eine Geschichte aus mehreren Winkeln beleuchtet wird. Aber Weedas Strukturierung konnte ich nicht folgen. Die Vielzahl an Personen, die ungünstiger Weise auch ab und an ihre Vornamen teilen (was man natürlich schlecht ändern kann, wenn man von der eigenen Familie berichtet) hat mich überfordert. Und das, trotzdem man zu Beginn vorgewarnt wird und auch einen Stammbaum zu Rate ziehen kann. Dass die Perspektive dazu noch oft etwas unvermittelt zwischen ¿ich¿, ¿er¿, ¿sie¿ und ¿wir¿ springt, tut ihr Übriges. Für mich war das zu viel des Guten und hat keinen Lesestrom entstehen lassen.Und dann ist da noch die ¿ ja, wie soll ich es nennen? Die surreale oder mythische Ebene. Und hier muss ich erwähnen, dass ich nur sehr, sehr selten Zugang zu diesem Kunstgriff habe. Der Palast der verlorenen Don Kosaken und die weißen Hirsche haben mich überhaupt nicht abgeholt. Allerdings kann man Kommentare finden, dass gerade dieser Punkt für einige Leser das Buch besonders lesenswert gemacht hat. Wie man dazu auch stehen mag, eine originelle, wenn vielleicht auch nicht einzigartige, Idee hatte Weeda hier auf jeden Fall.Auf der anderen Seite hat dieser Roman auch starke Komponenten. Es gibt Passagen, die mich völlig gefesselt und in die Geschichte hineingezogen haben, insbesondere jene, in denen Nikolai von dem erzählt, was die Familie durchmachen musste. Wäre das Buch in dieser Perspektive geblieben, hätte es weniger mit Symbolik um sich geworfen, wäre ich womöglich ein Fan geworden.Mit ihrem Debüt wollte Lisa Weeda ihrer eigenen Aussage nach einen Beitrag zum Krieg in der Ukraine leisten und ihren Vorfahren ein Denkmal setzen. Das ist ihr auf ihre Art sicherlich gelungen und eigentlich ist das ja das einzige, was zählt. Würde man mich aber nach Büchern fragen, die mir die Ukraine inklusive ihrer historischen Problematik näher gebracht haben, würde mir ¿Aleksandra¿ wohl nicht als Erstes einfallen. Aber ein weiteres Puzzleteil kann dieser Roman durchaus liefern.