Vom Anfang des Buches war ich hingerissen. Margaret Kennedy geht gekonnt mit Sprache um, formuliert wundervoll und erfreut durch eine sorgfältige Charakterzeichnung. Wir lernen die Charaktere anfänglich durch verschiedene Stilmittel kennen und es wird multiperspektivisch erzählt. Viele Autoren nutzen dieses Stilmittel gerne, ohne es zu beherrschen, was man dann daran merkt, daß dann alle Erzählstimmen gleich klingen. Bei Kennedy ist das anders - hier hat jeder Charakter eine ganz eigene Stimme. Absolut gekonnt!Die Geschichte läßt sich spannend an, ganz am Anfang erfahren wir von dem Unglück, welches das Hotel am Kliff überkommt. Das klingt sehr dramatisch. Die Klippe bricht ab, stürzt direkt auf das Hotel und es klingt, als ob so gut wie niemand überlebt hätte und die Überlebenden dunkle Geheimnisse verbergen. Es wird angedeutet, daß sie ihr Überleben sinistren Handlungen o.ä. zu verdanken hätten, was natürlich immens neugierig macht. Dann erfolgt ein Zeitsprung zurück und wir erleben die Tage vor dem Unglück. Die kommende Tragödie hängt für die Leser dunkel über dem Geschehen, läßt jedes kleine Ereignis in einem beklemmenden Licht erscheinen. Leider wird das, was am Anfang angedeutet wird, nicht erfüllt. Das Ende enttäuscht auf ganzer Linie. Es ist antiklimaktisch und die gemachten Andeutungen verpuffen, ergeben im Nachhinein keinen Sinn. Ich habe den Anfang nach dem Beenden des Buches extra noch einmal gelesen, um zu sehen, ob ich evtl. etwas falsch verstanden habe, aber nein, es werden Dinge angedeutet, die sich nicht erfüllen. Nach dem gelungenen ersten Drittel läßt auch die Geschichte selbst zunehmend nach. Es gibt wesentlich zu viele Charaktere, so daß einige komplett blass bleiben und so gut wie nicht vorkommen. Mehrere Handlungsstränge dümpeln oberflächlich und manchmal auch langatmig vor sich hin, auch hier werden anfänglich gemachte Andeutungen flach aufgelöst. Bei weniger Charakteren hätte man die Handlungsstränge wesentlich tiefgängiger behandeln können, so wirkt alles leider sehr halbgar. Außerdem geht trotz der langatmigen Erzählweise alles viel zu schnell. Da verliebt sich ein Paar nach der ersten Konversation, zwei Tage später sind sie schon verlobt. Ein anderes Paar schafft innerhalb von drei Tagen den kompletten Kreislauf von Kennenlernen, Verlieben, Trennen. Sehr unglaubwürdig. Eine Person macht durch eine seltsame Erleuchtung eine komplette Charakteränderung durch, was nicht glaubhaft wirkt. Die ganze herrliche Charaktereinführung des Anfangs verpufft in dieser oberflächlichen Weiterführung. Hinzu kommen zunehmend skurrile und unglaubwürdige Entwicklungen.Margaret Kennedy konnte zweifellos schreiben, aber ich hatte beim Lesen immer mehr das Gefühl, daß sie sich in ihrer eigenen Geschichte zu sehr verzettelt hat. Fast bekam man den Eindruck, sie hätte zum Ende hin die Lust verloren und wollte alles nur noch irgendwie rasch zum Ende bringen. Schade, denn das Potential für einen tollen Roman war absolut da. Erfreulich ist auch die herrliche Einbandgestaltung. Beim Lektorat dagegen wäre mehr Sorgfalt zu wünschen gewesen. Die Anzahl an fehlenden oder falschen Wörtern ist in diesem Buch ungewöhnlich hoch, einige Sätze ergeben keinen Sinn, es gab auch einige kleinere Übersetzungsfehler. Insgesamt bietet "Das Fest" leicht lesbare Unterhaltung mit guten Formulierungen, einer originellen Idee und einem grandiosen Anfang, aber leider nicht viel mehr.