Die einundsiebzigjährige Inge lebt auf dem Dykenhof in dem beschaulichen Dörfchen Wiesenbüttel und kann sich nicht so recht von den alten Prinzipien der Lesbenbewegung lösen. Deshalb ist ihr das zehnjährige Jubiläum des Facettenhofes ein Dorn im Auge. Besteht ihr Hof doch schon seit 30 Jahren und konnte sich im Gegensatz zum Facettenhof nicht ins "gemachte Nest" setzen und die Früchte ihrer harten Arbeit genießen - nämlich die Akzeptanz und Freundschaft der übrigen Dorfbewohner. Also wird kurzerhand beschlossen, dass der Dykenhof ebenfalls Jubiläum feiert, Einladungen werden versendet und auf diesem Wege kommt die zweite Protagonistin, die siebzehnjährige Kati, ins Spiel und mischt in Wiesenbüttel so einiges auf.Dieses Buch hat viel Witz & Humor, Tiefgang & Anregungen zum Nachdenken und einen wahnsinnig tollen Cast an Charakteren zu bieten und ist damit definitiv ein Buch, das ich wohl wieder und wieder lesen werden. Wiesenbüttel ist ein tolles Dorf und wenn ich könnte würde ich, ohne zu zögern, dorthin ziehen. Eben dieses Gefühl von zu Hause konnte mir das Buch vermitteln. Es gab zwar einiges an Konflikten, aber schließlich wird auch in den besten Familien gestritten, deshalb konnten sie dem Gefühl von "Ankommen" keinen Abbruch tun.Das Buch bietet viel Stoff zum Nach- und Überdenken wird aber nie moralapostelig, weil dieser Stoff durch ein ganz logisch erscheinendes verändertes Auftreten der Hauptpersonen erfolgt, das Hand in Hand mit der Charakterentwicklung geht. Diese Entwicklung fühlt sich an keiner Stelle gezwungen an, sondern stets harmonisch und natürlich und ist sowohl bei Kati, als auch bei Inge zu erkennen. Was besonders schön zu sehen ist, ist wie diese beiden komplett verschiedenen Generationen voneinander lernen. Auch die Nebenfiguren sind gut gelungen und größtenteils sehr sympathisch, bis auf eine gewisse recht offensichtliche Nebenbuhlerin, die für ein bisschen zusätzliches Drama sorgt.Was ebenfalls dazu beiträgt, dass dieses Buch nicht belehrend wirkt, ist der Humor der sich durch das ganze Buch zieht und mich mehrfach hat laut auflachen lassen. Da haben wir zum Beispiel Gockel Elvis, der morgens "die baldige Übernahme der Weltherrschaft ankündigt", Bücher an der Bushaltestelle, die zur Adoption freigegeben sind (hat mich besonders gefreut, weil ich das auch so bezeichne, aber noch nie jemand anderen, das habe sagen hören) oder ein Versprechen mit der Wertigkeit des Nichtangriffspaktes der NATO-Staaten.Es gibt wirklich nur einen Kritikpunkt für mich und der ist, dass ich am Ende gern noch mehr Details von den neuen Beziehungen - seien es familiäre, freundschaftliche und/oder romantische - der Protagonisten und Nebenfiguren gelesen hätte und mehr lesen zu wollen, ist ja nie eine wirkliche Kritik an einem Buch, oder? Ein kleines Beispiel: durch den recht großen Cast gibt es ein, zwei Figuren, die etwas zu kurz gekommen sind. So hätte ich mir am Ende etwas mehr von Jasna (Katis beste Freundin) gewünscht, die zwar gerade ihre eigenen Probleme hat, aber die Interaktionen der beiden komplett ins Off zu schieben, hat sich etwas seltsam angefühlt. Nicht so als hätte man sie vergessen, eher so, dass ein Gefühl des Vermissens entstanden ist. Aber wie gesagt, wenn man nicht genug von den Charakteren bekommen kann, ist das ja eher ein gutes, als ein schlechtes Zeichen.Noch eine kurze Anmerkung zum Hörbuch: Die Autorin hat das Buch selbst vertont und das wahnsinnig gut gemacht, wer also lieber zum Hörbuch greift, nur zu!