Dieses Essay beschäftigt sich mit dem Life Writing deutschsprachiger Schriftsteller der Gegenwart und ordnet es in kulturelle und zeitgeschichtliche Kontexte ein. Diese Autoren erzählen ihr Leben als Abfolge von Passagen. Es gibt vier Passagen: in das poetische Dasein, in die zweite Hälfte des Lebens, in das Eigentliche und in das Totenreich. Statt auf das fragwürdige Konzept Authentizität setzt die Passagenliteratur auf Ambiguität, Offenheit und Poesie. Die meisten sind der Überzeugung, dass ein Reichtum an Menschenkenntnis und Lebenserfahrung eine wesentliche Voraussetzung für ihr Schreiben ist. Das Essay erzählt von den Wegen (und Irrwegen), welche Einzelne dabei gegangen sind. Viele haben zum Beispiel Wurzeln im Handwerk und eine intensive Beziehung zu Werkzeug und anderen Dingen wie Schreibmaschinen und Fahrrädern. Typisch für die Passagenliteratur ist die Schilderung von Präsenzmomenten, aus denen die Autoren transzendente Energien schöpfen. Elemente der Schauerliteratur nehmen in den Passagentexten breiten Raum ein. Das Unheimliche ist ein Phänomen, das in der Kunst in Erscheinung tritt, wenn eine Gesellschaft Fragen der Geschichte nicht beantwortet, die Narben der Vergangenheit aber weiterhin schmerzen, zum Beispiel in Gestalt von transgenerationalen Traumata. Es basiert auf einem überwältigenden Gefühl des Verlusts, auch in den Texten der Schriftsteller, um die es in diesem Buch geht. Das sind Judith Hermann, Ralf Rothmann, Uwe Timm, Frank Witzel, Friedrich Christian Delius, Lutz Seiler, Ulrich Peltzer, Emine Sevgi Özdamar, Peter Kurzeck, Dinçer Güçyeter, Jenny Erpenbeck, Arno Geiger, Lukas Bärfuss, Bodo Kirchhoff, Albrecht Selge, Thomas Hürlimann, Anne Rabe und Evelyn Roll.