Besprochen in:WDR, 1 (2002), Khosrow Nosratian
»Philosophische Bücher, die eher eine kohärente Gedankenarchitektur erstreben als eine überzeugende Beweisführung entfalten, sind selten. Und Überlegungen, die ohne Nachweise in Fußnotengebirge und Anmerkungsapparat auftreten, erscheinen geradezu verdächtig. Solche Studien verlangen nach einer einläßlichen Lektüre durch eine aufmerksame Leserschaft, die sich von der bohrenden Frage nach den letzten Dingen bewegen läßt. Unter dem Titel 'Vom Abschied. Ein Essay zur Differenz' hat Hans-Joachim Lenger das Manifest einer ebenso treibenden wie drängenden Geistigkeit vorgelegt. Lengers Essay vom Abschied beschreibt die Rückzugsgefechte der modernen Reflexion, die vor der Verschränkung von Zeichen, Sprache und Bild zu kapitulieren scheint. Dabei besticht [. . .] die denkerische Intarsienarbeit seiner feinziselierten Wortkunst. Friedrich Nietzsche und Siegmund Freud, Martin Heidegger und Ernst Bloch avancieren neben zahlreichen zeitgenössischen Denkern der Postmoderne zu Kronzeugen eines Zeremoniells, das den Abschied der Philosophie von sich selbst feiert. Doch das dezidierte Adieu geht mit einem stets erneuerten Willkommen einher. Die Philosophie ist tot, es lebe die Philosophie - so könnte das Motto dieser Studie lauten. Damit bewegt sich der Autor in einem Rahmen, der von den klassischen Oppositionen des metaphysischen Denkens vorgezeichnet ist. Doch durch das Formenspiel jener Technik des schreibenden Seitensprungs, die der Autor dem Philosophen Ernst Bloch abgeschaut hat, sprengt er zugleich die vorgezeichneten Bahnen. So trägt er den Widerstreit der Philosophie selbst aus. In einem einzigen Zug wird der Philosophie das Zepter der Souveränität ebenso entwendet wie erstattet. Das wundersam gelehrte Buch, das im Tiefbohrunternehmen der letzten Fragen auch den letzten Dreck nicht scheut, ist im transcript Verlag Bielefeld erschienen [. . .]. « Khosrow Nosratian, WDR, 1 (2002)