Besprechung vom 28.04.2025
Dabei darf doch niemand wissen, wo sie wohnt
Anna Maria Praßler gibt für ein findiges Mädchen aus dem Frauenhaus zu seinem zehnten Geburtstag eine Party
Eigentlich, findet Jagoda, könnte es auch Kinderhaus heißen, immerhin leben in einem Frauenhaus häufig mehr Kinder als Frauen. Aber die Neunjährige ist ganz zufrieden so: Schließlich würde es "megapeinlich nach Kita und Babys klingen", und Jagoda ist doch schon fast zehn Jahre alt. Das ist das Problem.
Genauer gesagt: Dass Jagoda am Freitag zehn wird, ist der Grund für eine kleine Reihe turbulenter Tage. Denn als Mia, noch neuer in der Klasse als Jagoda, ihr eines Nachmittags im Hort vor einer Gruppe herablassender Mädchen zur Seite springt, anschließend zufällig von Jagodas Geburtstag hört und vorsichtig fragt, ob sie vielleicht mitfeiern kann, macht Jagoda ihr gegenüber den ersten von zwei großen Fehlern: Sie lädt sie einfach ein.
Die Sache ist nämlich: Es gibt gar kein Geburtstagsfest, nur die übliche kleine Runde im Frauenhaus, zu der ohne Ausnahme immer alle eingeladen werden, die dort gerade leben, aber niemand von außerhalb. Schließlich muss geheim bleiben, wo das Frauenhaus ist, zum Schutz derjenigen, die sich vor ihren gewalttätigen Männern hierher geflüchtet haben. Für jedes andere Fest fehlt Jagoda der Ort und das Geld. Also, beschließt das findige Mädchen, braucht es einen Plan. Ihre Entscheidung gibt Anna Maria Praßlers drittem Kinderroman den Titel: "Keine Party ist auch keine Lösung".
Man könnte sich ein Kinderbuch, das zum allergrößten Teil aus dem Alltag in einem Frauenhaus erzählt, leicht als Problembuch vorstellen: So heißen im Buchhandel Werke, die vor allem einen Eindruck vermitteln möchten vom Leben unter bestimmten Belastungen, auf Mitgefühl angelegt und auf Verständnis. Bücher, die es oft genug selbst schwer haben, schließlich soll Lesen Spaß machen.
Doch es ist durchaus ein Vergnügen, Jagoda in ihrer kindlichen Entschlossenheit dabei zuzusehen, wie sie auf dem Weg zu ihrem Ziel einer eigenen Party eine Hürde nach der anderen nimmt. Wie sie sich von Asmas Liste, was alles zu einer richtigen Party dazugehört, nicht einschüchtern lässt. Wie sie bei einem Fahrradausflug auf der Suche nach der von Asma empfohlenen "coolen Location" erst einen Hund kennenlernt, dann dessen überforderten Betreuer. Wie sie sich zur Hundetrainerin für 15 Euro die Stunde erklärt und ihr Geld dann doch mit Felix teilt, der gerade erst aus einem Leben mit Kinderfrau und Kanapees im Frauenhaus angekommen ist und beim gemeinsamen Einkauf merken muss, dass sein Vater offenbar der Mutter die Bankkarte gesperrt hat. Wie sie allerlei Leckereien zusammenbekommt, eine Piñata sogar, und wie sie zu den kleinen Geschenken kommt, die sie ihren Gästen mit nach Hause geben kann, zu Getränken und überhaupt an den Schrebergarten, in dem die Party schließlich steigt. Denn dafür, dass die Party schließlich steigt, leisten alle ihren Beitrag.
Alle bis auf Asma, die sich zur Bestürzung der anderen doch entschieden hat, wieder zu dem Mann zurückzukehren, vor dem sie sich ins Frauenhaus geflüchtet hat. Und bis auf Mia, und das hat mit dem zweiten Fehler zu tun, den Jagoda ihrer neuen Klassenkameradin gegenüber macht. Dabei wünscht sie sich doch nichts sehnlicher, als dass sie ihre Freundin wird. Ein Fehler, der sich - anders als die Einladung zu einer Party, die es so eigentlich gar nicht geben kann - nicht durch Entschlossenheit und Erfindungsgabe ausbügeln lässt, sondern der darauf angewiesen ist, dass Mia ihr verzeiht.
Doch auch hier nimmt "Keine Party ist auch keine Lösung" ein gutes Ende, ohne zu viel zu erklären. Junge Leser werden Jagoda als energiegeladene Erzählerin schnell in ihr Herz schließen und ihr gebannt durch den Countdown der Tage vor dem versprochenen Fest folgen. Dass sie nebenbei etwas darüber erfahren, wo Frauen und Kinder aus den unterschiedlichsten Lebensumständen zusammenkommen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren, macht das Buch nur zusätzlich interessant. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Anna Maria Praßler: "Keine Party ist auch keine Lösung".
Illustriert von Theresa Strozyk. Klett Kinderbuch, Leipzig 2025. 168 S., geb., 16,- Euro. Ab 9 J.
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