Ein düsterer Romanbeginn: ein heruntergekommenes und verseuchtes Wohnviertel, eine trostlose kleine amerikanische Industriestadt mit dem ironischen Namen Gladness, es ist dunkel, es regnet, und der junge Hai steht auf einer Brücke und will in den reißenden Fluss springen. Warum? Er ist verschuldet, drogenabhängig, hat seine Ausbildung abgebrochen, ist arbeitslos und lügt seiner Mutter ein Studium in Boston vor. Die demente Grazina Vitkus beobachtet ihn und dirigiert ihn zu ihrem Haus. Hier beginnt die anrührend erzählte Geschichte einer besonderen Freundschaft zwischen zwei Menschen, die bei allen Unterschieden eines verbindet: beide sind traumatisiert von Krieg und Flucht.
Hai findet Arbeit in einem Fastfood-Restaurant, und hier entwickelt sich ein zweiter Erzählstrang. Es sind die Schattenseiten des amerikanischen Traums, die Vuong hier zeigt. Hai trifft auf skurrile Gestalten, sowohl bei der Belegschaft als auch bei den Gästen. Alle sind sie Verlierer der Wohlstandsgesellschaft, alle sind sie Opfer der Wirtschaftskrise. Alle sind Außenseiter, underdogs, die sich täglich aufs Neue harten Lebensbedingungen stellen müssen. Aber hier trifft Hai auf so positive Erfahrungen, dass er sich dem Leben wieder zuwendet. Er erfährt Solidarität und Freundschaft, und vor allem: er wird so angenommen, wie er ist. Dieser zweite Erzählstrang hat keinen Spannungsbogen und streng genommen auch keinen Handlungsbogen, aber er macht den Roman durch seine leise Erzählweise zu einer mitreißenden Lektüre, perfekt vorgetragen von Fabian Busch.
Weniger hinreißend sind Vuongs Metaphern, mit denen er v. a. im 1. Teil seinen Roman anreichert. Es ist nicht nur die Fülle der Metaphern, die den Leser überrollt, sondern auch ihr Bildgehalt. Da wird z. B. eine Abwrackkarre beschrieben, die Augenhöhle gefüllt mit warmem Coca-Cola, das Werk eines Jungen, der sein Getränk... aus Langeweile in dieses endlose Dunkel blinder Blicke geschüttet hatte. Oder: Hai hatte es wie eine durch die Ader eines gefallenen Engels geschwemmte Blutzelle warm und endlich gut". Das gute und warme Gefühl gönnt man dem Protagonisten von Herzen, aber dieses und andere Metaphern sind reines Wortgeklingele und schrammen scharf am trivialen Kitsch vorbei.
Trotz dieser Einschränkungen: ein eindringlicher Roman, beeindruckend, perfekt eingelesen, hörenswert..