Zuallererst möchte ich meinen Hut ziehen vor Anne Sauer und Chantal Busse. Erstere ist hierbei die Autorin des Buches und zweitere die Sprecherin des Hörbuchs. Beide haben einen fantastischen Job gemacht.
Die Idee des Buches, zwei verschiedene Leben ein und derselben Person parallel zu erleben, hat mich von Anfang an fasziniert. Allerdings hatte ich auch so meine Befürchtungen, dass mich dies, vor allem als Hörbuch, sehr verwirren könnte. Diese Befürchtung hat sich aber sofort in Luft aufgelöst, als ich mit dem Hören begonnen habe. Denn die Abgrenzung der beiden Geschichten war von Beginn an klar und äußerst eindeutig. Chantal Busse und ihre äußerst eindrucksvolle Stimme hat mich durch die Seiten und Stunden des Buches getragen. Ich wollte gar nicht mehr aufhören ihr zuzuhören. Und dies liegt nicht nur an der Geschichte. Chantals Stimmmelodie hat mir unglaublich gut gefallen, sie dürfte mir auch gerne eine Packungsbeilage eines x-beliebigen Medikamentes vorlesen und ich würde ihr noch immer gerne zuhören.
Auf den Inhalt des Buches möchte ich nicht groß eingehen, diesen kann man der Beschreibung des Buches oder dem Klappentext entnehmen. Ein paar wenige Worte muss ich aber leider doch verlieren, um meine nachfolgende Bewertung ein wenig verständlicher zu machen.
In diesem Buch begleitet man einerseits Toni, die mit ihrem Freund in einer schicken Wohnung wohnt und mehr oder weniger verzweifelt probiert ein Kind zu bekommen. Andererseits begleitet man aber auch Antonia, die gerade frisch Mutter geworden ist und mit dieser Situation ziemlich zu kämpfen hat. So weit, so gut. Toni und Antonia sind allerdings ein und dieselbe Person und nein es handelt sich weder um Polygamie noch um Schizophrenie. Wir begleiten sie einfach nur im Leben nebenan. Im was wäre, wenn. Was wäre, wenn sich Toni im Laufe der Jahre anders entschieden hätte. Wenn sie sich nicht von ihrer Jugendliebe getrennt hätte.
Allein dieses Gedankenspiel als Grundlage für einen Roman hat bei mir Begeisterung hervorgerufen. Denn wie so viele andere auch, habe ich mir diese Frage bereits öfter gestellt. Was wäre passiert, wie würde mein Leben aussehen, wenn ich diese oder jene Entscheidung nicht getroffen hätte. Wäre ich jetzt glücklicher, zufriedener, mit mir selbst im Reinen? Anne Sauer gibt nicht unbedingt Antworten auf diese Fragen, eröffnet aber einen ganz besonderen Blickwinkel auf dieses Thema.
Aber die Autorin macht an diesem Punkt noch nicht halt. Denn der Hauptunterschied oder zumindest das herausstechende Merkmal der beiden Leben, ist das Kind. Die eine hätte gerne eines, es funktioniert aber nicht so richtig. Die andere hat gerade eines bekommen und hadert mit der Situation. Anne Sauer verbindet die beiden doch sehr schweren Themen unerfüllter Kinderwunsch und regretting motherhood miteinander. Beides recht anspruchsvolle Thematiken, die man am liebsten nie selbst erleben möchte. Wobei ich für alle die vor allem zweiteres abschreckt einwenden muss, dass dies meine Interpretation ist. Im Roman selbst ist, ohne jetzt spoilern zu wollen, von Anpassungsstörungen die Rede. Es geht darum, wie fühlt man sich als Frau, wenn man gerade ein Kind bekommen hat. Liebt man es sofort und bis über beide Ohren, so wie es einem alle immer sagen?
Mir ist bewusst, dass dies alles nach einem tragischen und schwerfälligen Roman klingt und sich viele vielleicht überlegen, ob sie sich das wirklich antun sollen. Meine Antwort darauf, ist ein klare Ja, denn so belastend die Themen auch sein können. Die Autorin Anne Sauer packt in all dies eine Prise Humor hinein, schwarzen Humor bis zu einem gewissen Grad, ja natürlich. Aber dennoch ist die Geschichte wirklich amüsant und dies ohne billige und platte Witze.
Das Ende des Buches hat mich ein klein wenig irritiert und gestört. Ich kann einerseits verstehen, warum die Autorin das Buch genau so enden hat lassen, wie sie es eben getan hat. Andererseits habe ich das Gefühl, dass Anne Sauer mir noch ein paar erklärende Worte schuldet. Daher kann ich dem Buch auch leider nicht die Höchstnote geben. Aber eine Herzensempfehlung ist es auf jeden Fall.