Babel ist kein Roman, den man einfach liest es ist ein Werk, das verlangt, dass man sich positioniert. Es erzählt von Übersetzung, Macht, kolonialer Gewalt und der Frage, wem Sprache eigentlich gehört. Und obwohl es auf den ersten Blick wie ein klassischer akademischer Roman wirkt, entwickelt es eine Wucht, die mich nachhaltig beschäftigt hat.
Robin Swift wächst im kolonialen England auf, adoptiert von einem Sprachwissenschaftler, der ihn für eine bestimmte Rolle formen will: als Übersetzer im legendären Institut für Übersetzung in Oxford dem Babel. Die Idee, dass Sprache nicht nur vermittelt, sondern auch strukturiert, beherrscht, sogar Magie freisetzt, ist faszinierend. Besonders, weil R. F. Kuang das nicht metaphorisch meint, sondern in einer alternativen Realität ganz konkret ausbuchstabiert.
Was mich besonders beeindruckt hat, war, wie detailreich und klug das sprachliche Fundament dieser Welt gelegt ist. Fußnoten, Etymologien, falsche Freunde, Bedeutungsverschiebungen all das fließt ein, ohne je trocken zu wirken. Und doch liest sich das Buch nie wie ein reiner Ideenroman. Es geht um Bindung, um Zugehörigkeit, um Zerrissenheit auch im Inneren der Figuren. Robin, Ramy, Victoire, Letty: Sie alle sind keine Symbole, sondern vielschichtige Menschen, die mit Loyalität, Schuld und Selbstbehauptung ringen.
Die Geschichte entfaltet sich langsam, manchmal fast zu langsam. Einige Passagen im Mittelteil hätten für mich etwas gestrafft werden können, ohne an Tiefe zu verlieren. Aber die letzten Kapitel haben mich nicht nur emotional mitgerissen, sondern auch gedanklich gefordert.
Babel ist kein Wohlfühlbuch. Es stellt unbequeme Fragen und fordert Auseinandersetzung. Gerade deshalb ist es für mich ein besonderes Werk klug, mutig, sprachlich anspruchsvoll und mit einem Blick für die leisen wie die lauten Ungerechtigkeiten unserer Welt.