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Lázár

"Der neue Zauberer ... Ein großartiges Werk ... ein außergewöhnlicher Schriftsteller." Die Zeit

(143 Bewertungen)15
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Nominiert als Lieblingsbuch der Unabhängigen 2025 und für den Schweizer Buchpreis 2025

Alles beginnt, sogar das Ende, als Lajos von Lázár, das blonde Kind mit den wasserblauen Augen, zur Welt kommt. Seinem Vater, dem Baron, wird der Sohn nie geheuer sein, als ob er dessen Geheimnis ahnte. Mit Lajos' Geburt im Waldschloss bricht auch das 20. Jahrhundert an, das das alte Leben der Barone Lázár im südlichen Ungarn für immer verändern wird. Der Untergang des Habsburgerreichs berührt erst nur ihre Traditionen, aber alle spüren das Beben der Zeit, die schöne Mária ebenso wie der geisterhafte Onkel Imre. Als Lajos in den zwanziger Jahren sein Erbe antritt, scheint der alte Glanz noch einmal aufzublühen. Doch die Kinder Eva und Pista - der das Dunkle so liebt - müssen erleben, wie totalitäre Zeiten ihre wuchtigen Schatten werfen - und lernen, gegen sie zu bestehen.
Ein Roman wie eine Welt, die überwältigende Saga einer Familie, getrieben von der Liebe und der Sehnsucht nach ihr, in den Strudeln des 20. Jahrhunderts. Fesselnd und berührend, zugleich voller Leichtigkeit, voller Träume und Geheimnisse, in denen sich die ganze Tragik und Schönheit der Existenz spiegelt. Und - ob angesichts historischer Katastrophen oder schöner Sommertage - die ewige Frage, wie man leben soll.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
01. September 2025
Sprache
deutsch
Auflage
6. Auflage
Seitenanzahl
336
Autor/Autorin
Nelio Biedermann
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
382 g
Größe (L/B/H)
204/132/33 mm
ISBN
9783737102261

Portrait

Nelio Biedermann

Nelio Biedermann, geboren 2003, ist am Zürichsee aufgewachsen. Seine Familie stammt väterlicherseits aus ungarischem Adel, seine Großeltern flohen in den 1950er Jahren in die Schweiz. Biedermann studiert Germanistik und Filmwissenschaft an der Universität Zürich. Sein Roman «Lázár» wird in mehr als zwanzig Ländern erscheinen.


Pressestimmen

Ein Pageturner erster Güte . . . eine souveräne Lust am Erzählen . . . Nelio Biedermanns Roman Lázár ist die erstaunlichste Entdeckung der Saison. Süddeutsche Zeitung

Lázár ist wie ein Sturm, der uns fortreißt, der uns durch die Geschichte wirbelt und am Ende sanft in unser Leben entlässt. Lesen! WDR Buchtipps

Lázár ist, kurz gesagt, ein Geniestreich. Ulrich Greiner, Communio

Die Geschichte des ungarischen Adels zu K. -u. -k. -Zeiten. Erzählt von einem 22-jährigen Schweizer. Der literarische Herbst hat seinen Star gefunden. Der Spiegel

Nelio Biedermanns künstlerische Eigenständigkeit erweist sich nicht nur im Ton und im Stil seiner Sprache, sondern vor allem im modernen Blick auf die Romanfiguren Sie sind Menschen der Vergangenheit, erschaffen mit dem erzählerischen Instrumentarium der Gegenwart. Auch das macht Lázár zu einem tatsächlich beeindruckenden und fesselnden Roman. Deutschlandfunk Kultur

Mitreißend, bewegend und angelehnt an die eigene Familienhistorie erzählt der 22-jährige Autor voller Poesie. HÖRZU

Ein großes literarisches Talent. Und das Beste an diesem Knallerbuch: Es macht einfach so richtig Spaß, es zu lesen. Jede Seite ist purer Genuss und keine Figur ist uns egal . . . Ein feines Meisterwerk eines noch ganz jungen Autors . . . das könnte die Geburtsstunde eines Klassikers sein. WDR 4

Ein Roman, der Vieles ist . . . Nelio Biedermann entwirft mit Lázár eine Erzählung voll leiser Magie, in der persönliche Verluste auf die großen Brüche der Zeit treffen . . . poetisch und präzise. Podcast ZEIT für Literatur

Ganz großes Romankino! Brigitte

Dass um diesen Roman ein Hype entstanden ist, ist kaum verwunderlich; er bringt alles mit . . . Überall funkeln Detailbeschreibungen im souverän erzählten Strom . . . ein Pageturner. Welt am Sonntag

Nelio Biedermann zeigt sich als ein junger Schriftsteller, der seinen Figuren Rätsel zugesteht, die letztlich den Zauber von großer Literatur ausmachen können. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Ein literarisches Ausnahmetalent trifft auf große Geschichte: Nelio Biedermann . . . begeistert mit einer berührenden Familiensaga zwischen Weltkrieg, Revolution und persönlicher Suche nach Sinn. radioeins, RBB

Mit seiner bildhaften Sprache gelingt es Nelio Biedermann, diese Welt in Auflösung spürbar zu machen . . . ein großes literarisches Talent. ZDF "Morgenmagazin"

Nelio Biedermanns hemmungslose Erzähllust ist seine große Stärke seine Sprache ist so lustvoll und üppig. Neue Zürcher Zeitung

Bewegt und bewegend atmosphärisch und bildhaft. SRF Podcast Literaturclub

Ein junger Autor, dem man alles zutraut Der Blick präzise, die Sprache verdichtet, der Rhythmus sicher. Der 22-Jährige schreibt mit einer Reife, die selten ist. Blick

Man wird von der funkelnden Sprache mitgerissen Episch, tragisch und traumatisch, stürmisch, sehnsüchtig und sehr romantisch Zauber zieht sich durch Lázár . Tagesanzeiger

Der neue Zauberer Ein großartiges Werk im besten Sinne größenwahnsinnig Ein so weiter Horizont, Glanz und Elend einer ganzen Epoche, aber erzeugt durch präzise Verdichtung. Die Zeit

Ein in sich perfektes kleines Wunderwerk Lázár ist eine große literarische Leistung. Christoph Schröder, SWR Kultur

Ein junger Mann, der bereits in jungen Jahren für Furore sorgt - und von dem man weiterhin viel hören wird. SRF

Lázár ist ein erstaunliches Buch - eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, voller zutiefst origineller Charaktere und packender Szenen, manchmal realistisch, dann wieder verstörend traumartig. Dieser Roman wäre in jedem Fall ein Ereignis, aber der Umstand, dass sein Autor gerade erst das Erwachsenenalter erreicht hat, macht sein Erscheinen zu einem Donnerschlag. Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten. Daniel Kehlmann

Besprechung vom 25.07.2025

Über Erwartungshorizonte hinaus

Einfache Sprache, komplexe Stoffe, große Liebe zur Literatur: Der kommende Bücherherbst hält viel Belletristisches parat, das uns beim Lesen herausfordern wird. Der Ausblick auf besonders bemerkenswerte Neuerscheinungen.

Ende der kommenden Woche kommt ein höchst ungewöhnliches Buch heraus. Es heißt "Einen Vulkan besteigen" und geht selbst einen riskanten Weg. Seine Autorin ist Annette Pehnt, ihres Zeichens nicht nur eine der profiliertesten und wandlungsfähigsten deutschen Schriftstellerinnen, sondern seit einigen Jahren auch Professorin am Literaturinstitut der Universität Hildesheim, das sich neben dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig und dem in Biel angesiedelten Schweizerischen Literaturinstitut als einer der drei wichtigen Prüfstände für den Eintritt ins deutschsprachige literarische Leben etabliert hat. Man könnte auch sagen: Bevor junge Autoren nach Berlin umziehen, stellen sie ihr Talent in Hildesheim, Leipzig oder Biel auf die Probe. Unter anderen bei Annette Pehnt.

Die sich immer wieder auch selbst auf die Probe stellt. Diesmal mit einer Textsammlung, deren inneren Zusammenhang die Form bildet. Pehnt klassifiziert die Bestandteile ihres Buchs als "minimale Geschichten", deren längste denn auch gerade einmal vierzehn Seiten umfasst - und das jeweils in einem lockeren Zeilenumbruch, der an Prosagedichte denken lässt. Doch so populär diese Form jüngst auch geworden ist, das sind diese Texte nicht. Vielmehr gehorchen sie den Regularien eines Schreibprogramms, das Ende des letzten Jahrzehnts am Literaturhaus Frankfurt begründet wurde: LiES - Literatur in Einfacher Sprache. Seine Maximen, wie sie Pehnt in der Nachbemerkung zu "Einen Vulkan besteigen" (Piper Verlag, 281 S., geb., 24,- Euro; Erscheinungsdatum am 1. August) zusammenfasst: Verzicht auf komplizierten Satzbau und Passivkonstruktionen, auf Sprachbilder, indirektes Sprechen und Fachbegriffe, in jedem Satz nur eine Information und für jeden dieser Sätze eine eigene Zeile, knappe Geschichten in linearem Ablauf, Vermeidung von Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven. Man ist versucht zu sagen: Da wird alles beseitigt, was anspruchsvolle Literatur ausmacht; einen "Ulysses" schreibt man so nicht. Aber wer schreibt den schon?

Annette Pehnt schreibt etwas ganz anderes, und das ist auf seine Weise auch meisterhaft und abenteuerlich. Nicht weil es in der Titelgeschichte tatsächlich an den Rand eines Vulkankraters geht und es mit dem letzten Satz offenbleibt, ob die Ich-Erzählerin abstürzt oder nicht. "Ich stolpere", lautet er, und das ist einer der kürzesten Sätze im Buch, dessen längster immerhin zwanzig Wörter umfasst ("Wenn wir ein Bier zusammen trinken, reden wir über seinen Urlaub, seine Geschäfte, seine Rennräder, seine Freunde Olli und Marc") und nicht mehr in eine einzige eigene Zeile passt, sondern deren drei benötigt. Da missachtet Annette Pehnt also durchaus souverän nicht nur eine der Einfachheitsregeln von LiES, sondern auch die empirisch gestützte Erkenntnis, dass ein Großteil der Menschen nach siebzehn Wörtern den Sinnzusammenhang eines Satzes verliert.

Es zeichnet die Autorin aus, dass sie also bisweilen ganz ohne erzählerische Not die selbst gewählten Grenzen überschreitet. Mutwillig ist das, im besten buchstäblichen Sinne. Man könnte auch sagen, Annette Pehnt lässt hier und noch ein paar weitere Male aufscheinen, was aus der Einfachen Sprache doch wieder zur Literatur führen könnte. Eine strikte Reduktion nach Regelwerk hätte ja auch etwas Herablassendes, würde diejenigen, die als Adressaten solcher Texte gelten, abstempeln zu unverbesserlich schlichten Gemütern - wie es etwa jeden Freitagabend in der schauerlichen Nachrichtensendung in Einfacher Sprache geschieht, die der Deutschlandfunk ausstrahlt (zum Glück nur dieses eine Mal in der Woche, was ja schon zeigt, dass da keine Überzeugung herrscht, etwas Sinnvolles zu tun; es ist peinliche Affirmation einer paternalistisch-politischen Erwartung). Pehnt erfüllt mit ihrem Buch keine Erwartungen, sie überrascht mit ihrem Wagemut in der einen wie der anderen Richtung: Hin zur Einfachen Sprache und dann doch auch wieder weg von ihr. Literatur, die diesen Namen verdient, reicht ja immer über den vertrauten und damit bequemen Horizont hinaus - erzählerisch, stilistisch und auch pädagogisch.

Natürlich auch geographisch. Etwa bis Guatemala, einem selten gesehenen Schauplatz deutschsprachiger Literatur. Der beste Roman dieses Bücherherbstes findet dort seinen Schauplatz: Dorothee Elmigers Roman "Die Holländerinnen" (Hanser Verlag, 159 S., geb., 23,- Euro; 19. August), und schon die Diskrepanz zwischen Titel und Schauplatz ist ein Coup. Elmiger durchlief die Kaderschmieden in Biel und Leipzig und hat mit jetzt vierzig Jahren schon drei viel beachtete andere Romane veröffentlicht, doch "Die Holländerinnen" übertrifft sie alle. Würde man den Gegenentwurf zur LiES-Poetik vorgeführt bekommen wollen, dann hier: Schon der erste Satz des ersten Kapitels (nicht der erste Satz des Buches!) geht über elf Zeilen mit fast hundert Wörtern, die Erzählperspektive wechselt permanent (eine auktoriale Stimme berichtet vom Vortrag einer Schriftstellerin, die darin von einem zurückliegenden Erlebnis im guatemaltekischen Urwald erzählt, das erst durch die Stimmen diverser daran Beteiligter in seiner Gesamtheit sichtbar wird und doch undurchschaubar bleibt. Das ist inhaltlich (Dschungel), formal (Erzählsituation) und vor allem metaphysisch (Konfrontation der westlichen Zivilisation mit ihren eigenen Abgründen im Erleben des Fremden) eine aktualisierende Hommage an Joseph Conrads berühmte Erzählung "Herz der Finsternis", was einmal auch durchs explizite Zitieren der berühmtesten Formulierung daraus klargestellt wird: "der Horror, der Horror". Und der, so wird von der erzählten Erzählerin ausgeführt, "liege naturgemäß außerhalb der Sprache". Natürlich weiß Dorothee Elmiger selbst es besser. Und führt es vor.

In diesem Roman wird demonstriert, was aus dem Wissen um und dem Umgang mit Klassikern zu gewinnen ist. Und zwar durch unmittelbare Anknüpfung, nicht durch die gängige Neukombination von deren Versatzstücken, wie es etwa einer der international bereits vor Erscheinen höchstgehandelten jungen Stimmen der deutschsprachigen Literatur betreibt. Nelio Biedermann, gerade einmal Anfang zwanzig, hat als sein bereits viertes Buch einen Roman namens "Lázár" (benannt nach der die Protagonisten stellenden ungarischen Familie; Rowohlt Berlin Verlag, 331 S., geb., 25,- Euro; 9. September) geschrieben, der alsbald in mehr als zwanzig Ländern erscheinen wird. Der Schweizer mit ungarischen Wurzeln väterlicherseits war nicht in Biel, Leipzig oder Hildesheim, sondern studiert noch an der Universität Zürich, unter anderem Filmwissenschaft, und die resultierende erzählerische Wahrnehmungserfahrung merkt man dem Konstruktionsprinzip von "Lázár" an: Schuss-Gegenschuss-Szenen zuhauf, harte Schnitte, gefühlssatte Dialoge, als müssten damit Starschauspieler gelockt werden. Dazu ein paar breitbeinig auftrumpfende Floskeln, wie sie das Privileg jugendlichen Ungestüms sind: "Der Schriftsteller fürchtet sich vor nichts mehr als vor dem Glück, was nur verständlich ist, denn Schreiben ist Konservieren, Festhalten, Ordnen, das Glück aber meidet die Sprache, entzieht sich den Wörtern, versteckt sich in der Vergänglichkeit und zerfällt, wenn man es zu erklären versucht." Ein Glück, dass Biedermann selbst es bei diesem einen Erklärungsversuch belässt.

Was "Lázár" zu erzählen hat, ist indes allemal beachtlich: eine Geschichte Ungarns von der späten Doppelmonarchie über die Verstümmelung im Vertrag von Trianon 1920, die Etablierung als eigenständiges Königreich in der Zwischenkriegszeit, das Bündnis mit Hitlers Drittem Reich, die deutsche Besatzung von 1944 bis zur von der Sowjetunion bestimmten Politik nach dem Zweiten Weltkrieg, die schließlich den Aufstand von 1956 provozierte. Wer weiß das heute schon noch? Und was interessiert daran jemand, der Anfang zwanzig ist? Das Beeindruckendste neben der erzählerischen Süffigkeit von Biedermanns Roman ist, dass sich bei dessen Lektüre nie das Gefühl des Gesuchten einstellt - dass dem Autor der Stoff organisch zugefallen scheint. Und dass sich dieser junge Schriftsteller traut, sich zunächst unausgesprochen bei "Die Toten" von James Joyce zu bedienen, um drei Seiten später das Schicksal einer seiner Figuren - der interessantesten, obwohl sie gar nicht der Familie Lázár angehört - ganz offen mit einer der schönsten Liebeserklärungen an Proust zu verbinden.

Aber verglichen mit Elmigers Buch ist das Literaturliteratur, nicht eigenständig souveränes Erzählen: Wo der Roman "Die Holländerinnen" erklärtermaßen auf den Schultern eines literarischen Riesenwerks steht und gerade deshalb darüber hinausgelangt, klammert sich "Lázár" an seine literarischen Vorbilder (natürlich auch Thomas Mann oder der magisch angehauchte Realismus von Günter Grass) und gewinnt im Genre des psychologischen Romans nicht an Höhe. Das gelingt anderen Romanen der kommenden Saison: Sten Nadolnys in gleich dreifach gebrochener Erzählperspektive gehaltener "Herbstgeschichte" über die mit Verspätung lebensverändernde Begegnung zweier Männer mit einer Frau, dem ersten Buch des Altmeisters seit acht Jahren (Piper, 239 S., geb., 24,- Euro; 2. Oktober), Katerina Poladjans "Goldküste" über das Anerzählen eines Analysanden gegen seine Analytikerin (S. Fischer, 159 S., geb., 22,- Euro; 27. August) oder mit gewissen Abstrichen Marko Dinics "Buch der Gesichter" über einen Belgrader Schreckenstag im Zweiten Weltkrieg, von dem aus sich rückblickend Lebenswege von Nonkonformisten und Opportunisten erklären (Zsolnay, 461 S., geb., 28,- Euro; 19. August), sowie dem - Warnung an jargonsensitive Leser! - gendersprachenaffirmativen "Mein Vater, der Gulag, die Krähe und ich" von der Leipzig-Absolventin Kaska Bryla, in dem vom Überwinden der Isolation in Corona-Zeiten erzählt wird (Residenz, 256 S., geb., 26,- Euro; 11. August).

Ganz besonders psychologisch und stilistisch geglückt ist indes Dagmar Leupolds Roman "Muttermale" (Verlag Jung und Jung, 172 S., geb., 24,- Euro; 18. September). Sein Ausgangspunkt mag als oft gelesen gelten, zuletzt etwa in Dörte Hansens "Altes Land": die Fluchtgeschichte einer Frau aus Ostpreußen. Diese hier wird zur Mutter von Leupolds Ich-Erzählerin, und wie die frühe Prägung durch eine verlorene Heimat noch die nächste Generation beeinflusst, das ist selten so eindrucksvoll beschrieben worden wie hier. Das frühe Kapitel "Blümerant" etwa hebt an mit einer Beschreibung seines Titelworts: "Im dunkelsten Winkel der Asservatenkammer gelagert, in der Nähe des Pfui, bei dessen Aussprechen die Lippen so gespannt waren wie ein Katapult, damit das Verworfene und Verwerfliche so weit wie möglich wie nur irgend möglich ausgespien werden konnte. Blümerant dagegen war die einigermaßen behaglich auszusprechende Chiffre für einen Zustand des Unwohlseins, der, wie die Wortverhunzung des französischen bleu mourant selbst, trüb, unklar, schlammig blieb und dadurch ertragbar. Sterbendes Blau, die Farbe erfrorener Lippen." Und damit sind wir semantisch wieder bei der winterlichen Fluchterfahrung der Mutter angelangt.

Auch das, worauf der Roman hinausläuft, ist schon oft erzählt worden: der Tod der Mutter. Und im Krematorium erinnert sich die Tochter daran, was die Verstorbene am meisten fürchtete: "die Art von Schmerz, die durch Schwieriges erzeigt wird. Schwieriges, das seine Notwendigkeit nicht leugnet, sondern zeigt. Diesen Schmerz habe ich dir bereitet", die Tochter war Schriftstellerin geworden. Eine kompromisslose.

Das ist auch Leupold. Wir haben bei ihr alles andere als Einfache Sprache gelesen: fremdwortreich, bildmächtig, verschachtelt, im Auftaktsatz zur ersten zitierten Passage sogar ohne explizites Subjekt. Also noch ein Gegenstück zu Annette Pehnts minimalen Geschichten, obwohl sowohl Dagmar Leupold (die anderthalb Jahrzehnte lang das Studio Literatur und Theater der Universität Tübingen leitete) als auch Dorothee Elmiger ja dem Umfang ihrer Bücher nach so etwas wie minimale Romane geschrieben haben. Doch was für ein Sprach-, Stil- und Handlungsreichtum in beiden Büchern. Während sich Pehnt, wie sie ausführt, beim Schreiben ständig gefragt hat: "Worauf kommt es wirklich an? Und wie lassen sich in der radikalen Reduktion Zwischentöne, Anklänge, Unterschwelliges erzeugen?" Dass es ihr gelungen ist in den insgesamt fünfunddreißig Geschichten ihres Buchs, verdankt sich dessen innerem Verbund, der dann doch alles das wiederliefert, was zugunsten des LiES-Regelwerks auf der Mikroebene der Einzelgeschichten aufgegeben werden musste: Multiperspektivität, Zeitsprünge, Informationsvielfalt, Interlinearität. Mithin das, was Literatur ausmacht. Auch in Einfacher Sprache. ANDREAS PLATTHAUS

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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Von Marie Ab am 12.10.2025

Eindrucksvoll und bildgewaltig!

Lázár ist ein Roman, der von Anfang an mit seiner Sprache und Atmosphäre überzeugt. Die Geschichte spielt über mehrere Generationen hinweg in einer ungarischen Adelsfamilie, mit einem alten Waldschloss als Zentrum der Handlung. Dabei geht es nicht nur um familiäre Konflikte, sondern auch um die großen Umbrüche des 20. Jahrhunderts. Was mich direkt fasziniert hat, war der Schreibstil. Die Naturbeschreibungen sind unglaublich bildgewaltig, z.b. sieht man das Licht durch die Bäume fallen, riecht den feuchten Waldboden, hört das Rascheln der Blätter. Diese Landschaften sind viel mehr als Kulisse, sie geben dem ganzen Buch eine besondere Stimmung. Auch die Figuren sind sehr lebendig und gut gezeichnet. Jede einzelne wirkt durchdacht, mit Tiefe und Charakter. Man kann sich wirklich in sie hineinversetzen, ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen. Der Roman startet stark und hat mich lange gefesselt. Besonders die erste Hälfte fand ich atmosphärisch dicht und richtig spannend. Gegen Ende hat mein Interesse dann aber etwas nachgelassen. Manche Handlungsstränge wurden nicht ganz zu Ende erzählt, und vor allem das Schloss das ja eigentlich so zentral ist wurde mir im späteren Verlauf zu wenig beschrieben. Ich hätte mir gewünscht, noch mehr über die Räume, die Atmosphäre und die Geschichte des Gebäudes zu erfahren. Auch die Natur, die anfangs so eindrucksvoll war, trat später etwas in den Hintergrund was ich schade fand, aber natürlich auch verständlich, da es vor allem zentral um die Familie geht.
Von anushka am 11.10.2025

Eine Adelsfamilie im Mahlström der europäischen Geschichte, opulent erzählt

In einem Waldschloss auf dem südungarischen Land lebt die Adelsfamilie von Lázár. Als nach der Tochter endlich der ersehnte Sohn und Erbe geboren wird, ist dieses bleiche, fast durchsichtige Kind nicht das, was sich Lajos Lázár vorgestellt hat. Und so beginnt die Geschichte einer Adelsfamilie mitten in den großen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts. Vor der Tapestrie der ungarischen Geschichte - zunächst noch als habsburgische Monarchie, dann unter der deutschen und zuletzt der russischen Besatzung - spielen sich die kleinen und großen Dramen einer Familie ab, die schon durch die Vorfahren geprägt ist von Alkoholismus, Suizid und Wahnsinn. Dem Autor ist hier mit diesem, für eine Familiengeschichte vergleichsweise kleinen Buch etwas Großes gelungen. Die Sprache ist über weite Strecken ein Genuss, Ein trockener Humor verbindet sich mit opulenten Bildern und sprachlichen Schleifen. Teilweise mutet die Geschichte märchenhaft an. Als die Tochter Ilona einmal im Wald verloren geht, dachte ich beim Lesen wirklich, sie käme als "Wechselbalg" zurück (dieser folkloristische Glaube daran, dass Feen oder andere übernatürliche Wesen Menschenkinder durch ihre eigenen Nachkommen ersetzen). Doch die Geschichte bleibt realistisch, auch wenn am Rande des Blickfelds im Wald immer irgendetwas zu lauern droht. Der Erzählstil ist äußerst atmosphärisch und baut vor allem eine düstere Stimmung auf, die die historischen Entwicklungen fast schon vorweg nimmt. Die Geschichte fesselt, doch immer, wenn man etwas Sympathie oder Mitgefühl aufgebaut hat, zeigt sich die Familie wieder von ihrer egoistischen und opportunistischen Seite. Über drei Generationen hinweg beobachtet man, was die Familie tut, um ihren Adelsstand zu erhalten. Man ist nah dran, wenn sie ihre verschiedenen Residenzen bereisen und dort die Sommermonate vorüberziehen lassen, aber auch, wenn sie schließlich enteignet auf engstem Raum lebend zum ersten Mal arbeiten müssen. Die Geschichte der Familie ist eindrucksvoll erzählt , opulent und gleichzeitig komprimiert (das muss man erstmal hinbekommen) und die Wendungen der Geschichte sind nachvollziehbar und nachfühlbar dargestellt. Doch manches Mal macht der Erzählstil einen Schlenker zu viel, überschlägt sich und fühlt sich überladen an. Gleichzeitig bleiben die Figuren etwas holzschnittartig und wie Abziehbilder ihrer Vorgänger. Bis auf den "verrückten Onkel Imre" (schon ein ziemliches Klischee) heben sich die Figuren wenig voneinander ab, sodass die Generationen kaum auseinander zu halten sind. Und auch wenn ich den Erzählstil meist sehr genossen habe, gab es doch einige drastische Szenen, die mir nicht gefallen haben und die sich als Bruch anfühlten. Insbesondere die verschiedenen Sexszenen hätten weniger explizit sein können. Im Kontext dieser, auf ihr Erscheinen bedachten Adelsfamilie wirkten die Szenen fast schon obszön. Alles in allem ist "Lázár" ein beeindruckendes Buch und ich werde sicherlich zu weiteren Büchern des Autors greifen. Ich werde nicht in die Überraschung einstimmen, wie ein so junger Autor so ein Buch schreiben konnte, denn warum sollte er nicht? Warum glauben wir (immer noch), dass nur ältere Menschen beeindruckende Werke hervorbringen? Mich hat das Buch unabhängig vom Autor gepackt und auch unabhängig von der Tatsache, dass diese Geschichte wohl auf einer realen Geschichte basiert. Sie war auch ohne dieses Wissen glaubwürdig, realistisch und lebensnah. Ich kann die Begeisterung verstehen, die dieses Buch bei vielen ausgelöst hat. Mir ging es, bis auf ein paar Kritikpunkte, ähnlich.
Nelio Biedermann: Lázár bei hugendubel.de. Online bestellen oder in der Filiale abholen.