Ein guter Roman über die Konsequenz der Selbstermächtigung
Ich bin 100 % der Meinung, dass nur eine Frau darüber entscheiden darf, was mit ihrem Körper passiert. Dazu gehört auch die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft. Väter haben sich da nicht einzumischen - oder doch?Drei Frauen, drei Schwangerschaften. Svea um die 40, will kein Kind. Als sie schwanger wird entscheidet sie sich für eine Abtreibung mit der Pille , obwohl Jan, der Kindsvater, mit dem Svea in einer offenen Beziehung lebt, sich mit dem Gedanken auf Nachwuchs anfreundet. Obwohl er am Anfang gleichgültig tut, versucht er später zu intervenieren und das auf eine Art und Weise, die mehr als fragwürdig ist.Leyla und David wünschen sich ein Kind, aber es soll nicht klappen. Als sie schon fast aufgegeben haben wird Leyla schwanger und ihr Verlangen nach einem Baby wandelt sich. David, dessen Eltern im Hospiz liegen, versteht die Welt nicht mehr.Esther ist ebenfalls schwanger, von Jacob. Dieser beschäftigt sich mehr mit der Schwangerschaft als sie, motiviert sie zum Essen, sorgt dafür, dass nur Lebensmittel im Kühlschrank sind, die sie essen darf und besucht sogar ein Forum passend zum Thema. Esther weiß nicht ob sie ihr Kind lieben kann und stellt die Schwangerschaft infrage.Alle drei Frauen möchten die Macht über ihren Körper behalten und fühlen sich von dem Kind, das in ihnen wächst, bedroht und eingeengt. Auch die Gefühle gegenüber ihren Partnern, wandeln sich mit der Schwangerschaft sofort. Die Frage danach, wer über eine Fortführung oder einen Abbruch entscheidet. stellen Sie sich nicht , sondern Sie nehmen selbstverständlich für sich heraus Beratungsgespräche, Arzttermine und den Schwangerschaftsabbruch ohne Zustimmung oder Beteiligung durchzuführen. Ist das richtig?Die Frage habe ich mir während des Lesens oft gestellt. Meine Gefühle waren dabei durchaus ambivalent. Einerseits kann ich die Entscheidung der Selbstermächtigung total nachvollziehen. Das konsequente Handeln der Frauen hat mir imponiert, wenn ich mit ihnen auch nicht immer einer Meinung war. Sie waren raumgreifend, sehr egoistisch und ohne Rücksicht auf ihr Umfeld, also genau so wie man es sonst Männern zuschreibt. Diese wiederum waren emotionaler, die, die sich gekümmert haben, mit denen die Gefühle durchgingen, oder die sich in die Vaterrolle hinein gesehnt haben. Es war krass zu spüren, wie außen vor sie sind. Mir ist in in meinem hohen Alter zum ersten Mal bewusst geworden, wie isoliert sie sich während einer Schwangerschaft fühlen, wenn man sie nicht einbezieht, gleichzeitig aber auch wie übergriffig Männer agieren, wenn sie so tun, als wär das auch IHR Körper, weil auch IHR Kind in ihm wächst.Mir lie¿ das keine Ruhe, ich hab mich mit einem Freund darüber unterhalten und war erstaunt, dass für ihn sofort klar war, dass das die Frau zu entscheiden hat, hoch in einer festen Beziehung, ohne wenn und aber - der Mann aber jederzeit das Recht hat die Beziehung dann zu beenden. Wenn Lebenspläne in unterschiedliche Richtungen gehen, ist das die einzig logische Folge. Das klang in meinen Ohren richtig und sogar ein wenig versöhnlich.Auf den ersten 20 Seiten habe ich mich schwergetan mit dem Buch, weil ich in der Erwartung eines sehr ICH- zentrierten Werks war, à la Sally Rooney zB, mit der ich überhaupt nicht klarkomme. Doch Verena Güntner hatte mich schnell am Haken. Die unterschiedlichen Perspektiven auf Schwangerschaft, die Umkehrung, der Geschlechterrollen und die von der Norm abweichenden Lebensentwürfe hatten es mir dann doch irgendwie angetan.Richtig gut fand ich, dass die Frauen nicht erklären mussten, warum sie das Kind nicht wollten. Keine Rechtfertigung, keine verständnisheischende Moralwende! Auch die Enden der jeweiligen Teile fand ich sehr gut gelungen. Was mich allerdings meine Augen hat rollen lassen, ist, die Übersexualisierung dieses Textes. Ob Promiskuität zur Lösung der Probleme beiträgt - ich weiß es nicht... und man wird ja wohl auch mal ohne klarkommen, wenn es gerade an der anderen Seite brennt. Klar, verstehe ich auch, dass es darum ging, über seinen eigenen Körper zu bestimmen. Aber eine neue Frisur oder ein Tattoo hätte vielleicht einfach gereicht. Ich bin sehr froh, an das Thema Kinder, Schwangerschaft und Partnerschaft anders herangegangen zu sein, es war nicht immer einfach, und die Rolle als Mutter nimmt schon einen großen Raum ein. Aber ich hab mir nie meine Autonomie rauben lassen. Ich glaube, mir ist es schon gelungen, eine gute Mutter zu sein und trotzdem ich selbst zu bleiben! Glücklich wirkten die Frauen in diesem Roman auf mich nicht. Und auch Jan, David, und Jacob waren nicht gerade Sympathieträger. Ein bisschen bleibt dann doch das Gefühl, dass sie ihre eigentlichen Probleme nicht angegangen sind. Aber durch die Entscheidung gegen ein Kind haben sie sie hoffentlich nicht größer gemacht und zusätzlich einen Menschen in die Welt gesetzt der diese mitschultern muss.Der Roman hat mich auf jeden Fall sehr beschäftigt und die Fragen, die sich im Spannungsfeld Kinderwunsch beziehungsweise Schwangerschaftsabbruch aufgetan haben, haben mir zu ein paar interessanten Gespräche verholfen.Ich empfehle das Buch Allen die den Perspektivwechsel lieben und die Moralkeule im Schrank lassen können.