Fantasievoll, düster und stellenweise etwas zäh
Whisperwicks ist eine Geschichte, die etwas Zeit braucht, um sich zu entfalten und eventuell auch, um zu fesseln. Benjamiah Creek (ständig bin ich über diesen und andere Namen gestolpert) ist kein klassischer Heldentyp. Er glaubt an Logik, Wissenschaft und Beweise, nicht an Zauberei oder unerklärliche Dinge. Umso größer ist sein Erstaunen, als er in die Parallelwelt Winkelwald gerät.Winkelwald ist eine merkwürdige, teils düstere Welt. Sie erinnert ein bisschen an ein viktorianisches Labyrinth aus Licht und Schatten, in dem jedes Geräusch zu viel bedeutet und jede Abzweigung ein neues Geheimnis birgt. Jordan Lees hat eine Atmosphäre geschaffen, die einen sofort gefangen nimmt, aber nicht durch laute Effekte, sondern durch das leise Unbehagen, das zwischen den Zeilen mitschwingt. Man spürt förmlich, dass in dieser Welt etwas nicht stimmt.Die Figuren sind glaubwürdig und vielschichtig. Benjamiah ist neugierig, etwas unbeholfen, aber sehr sympathisch. Er will verstehen, nicht einfach glauben, und genau das bringt ihn ständig in Schwierigkeiten. Elizabella (noch so ein Name), die ihn zunächst abweisend behandelt, zeigt schnell, dass hinter ihrer Schroffheit Verletzlichkeit steckt. Ihre Gegensätze sorgen für Reibung, aber auch für Entwicklung. Vor allem ihre Freundschaft wächst sehr natürlich.Inhaltlich balanciert das Buch geschickt zwischen Abenteuer und Nachdenklichkeit. Es geht um Mut, um Vertrauen, aber auch um die Frage, was wir für "wahr" halten. Benjamiah, der sich so sehr an Fakten klammert, muss lernen, dass Wissen und Intuition sich nicht ausschließen.Das Erzähltempo bleibt ausgeglichen ruhig, stellenweise für meinen Geschmack leider auch ein bisschen zäh. Lees schreibt bildhaft und lässt manches Geheimnis bewusst offen, um die Spannung zu erhöhen. Für mich hätte der Erzählfluss ruhig etwas dichter sein können. Die wenigen Illustrationen sind aber gut gewählt und unterstützen die Stimmung.Für Kinder ab etwa elf Jahren ist das Buch eine anspruchsvolle, aber lohnende Lektüre. Wer klassische Abenteuer mag, wird hier vielleicht überrascht sein. Whisperwicks ist komplexer, leiser und stellenweise doch recht melancholisch. Gleichzeitig vermittelt es Hoffnung und Zusammenhalt.Am Ende bleibt der Eindruck einer Geschichte, die viel größer wirkt, als sie erzählt wird. Whisperwicks ist ein schöner, atmosphärischer Reihenauftakt. Geheimnisvoll, ein bisschen unheimlich, aber mit viel Herzblut erzählt.