Ein toller, vielversprechender Anfang und ein ergreifendes Ende, aber leider hat mich die Geschichte im Mittelteil etwas verloren.
Inhalt:Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein junger Mann namens Emil, der von einigen besonders prägenden Erlebnissen aus seiner Kindheit und Jugend erzählt. Man erfährt welche Sorgen und Nöten Emil gehabt hat und wieviel ihm seine Freundschaft mit dem einige Jahre älteren Demian bedeutet hat... Meine Meinung:Da ichSiddhartha, Unterm Radund vor allemNarziss und Goldmundsehr gemocht habe wollte ich nun auchDemianeine Chance geben.Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht. Ich konnte mich sehr gut in Emil hineinversetzen, weil Hermann Hesse bei der Schilderung von dessen Gefühls- und Gedankenwelt viel Einfühlungsvermögen und ein hohes Maß an Sensibilität beweist. So wird es sehr eindrücklich und lebensnah beschrieben wie Emil als 10-jähriger durch eine Notlüge in eine für ihn äußerst belastende und zunächst ausweglos erscheinende Situation gerät und wie ihn erst die Bekanntschaft mit Demian davon befreit. Diese ersten Begegnungen mit Demian und die zaghafte Annäherung zwischen Emil und Demian werden toll beschrieben. Demian ist ein geheimnisvoll und verschlossen wirkender Junge mit interessanten und unkonventionellen Ansichten über den man gerne mehr erfahren hat.Nach diesem starken Anfang hat mich die Geschichte im weiteren Verlauf leider ein wenig verloren. Emil wechselt auf eine weiterführende Schule, die sich in einer anderen Stadt befindet. Deshalb verschwindet Demian zunächst aus Emils Leben und er kommt über viele Seiten hinweg überhaupt nicht mehr vor. Das finde ich schade, weil Demian bis dahin ein wichtiger Bestandteil der Geschichte gewesen ist und diese sehr bereichert hat. Stattdessen verliert sich Emil von da an sehr in seinen Gedanken und zu manchen dieser Gedanken - u. a. die Gedanken rund um "Der Vogel kämpft sich aus dem Ei"und"Der Gott heißt Abraxas" - konnte ich einfach keinen richtigen Zugang finden und ich habe sie als zu surreal und als etwas "abgehoben" empfunden. Bei vielen von Emils Gedanken gab es mir zu viel Interpretationsspielraum und ich hatte stellenweise den Eindruck, dass ich einen Lektürenschlüssel benötige um die Bedeutung des Ganzen vollumfänglich zu verstehen. Emil malt z. B. ein Porträt von einer ihm flüchtig bekannten Frau und stellt dann später fest, dass dieses eigentlich seine eigenen Gesichtszüge hat und später meint er dann doch Demian in diesem Porträt zu erkennen. Ein weiterer Schwachpunkt der Geschichte ist für mich Emils Bekanntschaft mit dem Organisten Pistorius. Mit den Gesprächen zwischen Emil und Pistorius konnte ich nicht besonders viel anfangen und die Inhalte waren für mich nicht richtig greifbar. Ich hatte den Eindruck, dass man diese Episode getrost ein wenig hätte kürzen können, weil sie die Geschichte nicht wirklich vorangebracht haben.Auch mit Emils Liebesbeziehung hatte ich so meine Probleme. Ich finde es zu unglaubwürdig, dass Emil sich aus heiterem Himmel verliebt und seine Gefühle von seiner Angebeteten direkt erwidert werden obwohl die beiden sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich so gut wie gar nicht kennen und es zudem noch einen nicht unerheblichen Altersunterschied zwischen ihnen gibt. Außerdem finde ich es nicht in Ordnung, dass Emil seine Beziehung zunächst gegenüber einer bestimmten dritten Person verschweigt. Es wäre meiner Meinung nach mehr als angebracht gewesen und der Respekt hätte es verlangt diese besagte dritte Person direkt ins Vertrauen zu ziehen als sich abgezeichnet hat, dass sich eine Liebesbeziehung anbahnt. Das Ende der Geschichte gefiel mir dann jedoch richtig gut. Es fällt sehr dramatisch aus ging mir sehr zu Herzen.Fazit:Ich blicke mit gemischten Gefühlen auf diese Geschichte. Der tolle Schreibstil, der vielversprechende Beginn und das dramatische Ende haben mich für diese Geschichte eingenommen. Zugleich habe ich aber mit Blick auf den Mittelteil auch einige Kritikpunkte, die das Lesevergnügen geschmälert haben.Für mich kann diese Geschichte leider nicht mitSiddhartha, Unterm Rad und vor allem mitNarziss und Goldmundmithalten, aber ich bereue es auch nicht das Buch gelesen zu haben, weil mir es mir stellenweise recht gut gefallen hat.Zum Schluss noch einige der schönsten Zitate aus dem Buch:"Man braucht vor niemandem Angst zu haben. Wenn man jemand fürchtet, dann kommt es daher, dass man diesem Jemand Macht über sich eingeräumt hat. Man hat zum Beispiel etwas Böses getan, und der andre weiß das - dann hat er Macht über dich." (S. 53)"Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert." (S. 84)"Man darf nichts fürchten und nichts für verboten halten, was die Seele in uns wünscht." (S. 146)"Liebe muss nicht bitten", sagte sie, "auch nicht fordern. Liebe muss die Kraft haben, in sich selbst zur Gewissheit zu kommen. Dann wird sie nicht mehr gezogen, sondern zieht." (S. 193)