Sehr unterhaltsam, aber reicht nicht ans große Vorbild
Ich habe "Infamium" von Marc Weissenberger gelesen, weil ich hoffte, noch einmal dieses Gefühl zu erleben, das mich damals bei "Der Name der Rose" gepackt hat. Dieses dunkle Mittelalter voller Geheimnisse, Intrigen und Rätsel im Schatten der Klostermauern. Und tatsächlich, an vielen Stellen hat mich Infamium daran erinnert.Die Geschichte spielt im 11. Jahrhundert. Ein junger Novize, Ignatius, bekommt ein geheimnisvolles Buch übergeben, das er auf einer gefährlichen Reise in Sicherheit bringen soll. Begleitet wird die Handlung von den Aufzeichnungen seines Mentors Bodowin, der auf dem Sterbebett seine eigene, von Schuld und Verrat durchzogene Lebensgeschichte offenbart. Schon diese doppelte Erzählebene - Gegenwart und Rückblick - hat mich an Eco denken lassen.Weissenberger schreibt dichter, als ich es erwartet hatte. Er nimmt sich Zeit für Sprache, für Atmosphäre. Aber er verzettelt sich nicht in Philosophie, sondern bleibt erzählerisch klar. Ich mochte, wie er die religiösen und politischen Machtspiele jener Zeit greifbar macht: Bischöfe, Mönche, Kaiser, jeder mit seinen eigenen Interessen und seinem eigenen moralischen Graubereich.Für mich war das Buch eine lohnende Entdeckung. Ein klug gebauter, historisch fundierter Roman über Glauben, Macht und Wissen. Wer Ecos Meisterwerk liebt, wird hier keine Kopie finden, aber ein würdiges Echo. Dunkel, rätselhaft und wunderbar lesbar.