Besprechung vom 01.09.2025
Reform oder Relevanzverlust
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Krise
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Er sei zu groß, zu teuer, zu ineffizient und zu einseitig, lauten die Vorwürfe. Die Kritik mündet in immer lauteren Forderungen nach umfassender Reform, Rückbesinnung auf den Kernauftrag und vermehrter Anstrengung zu dessen digitaler Einbindung angesichts veränderter Mediennutzung im Zeitalter von Internet, sozialen Medien und Streamingportalen. Unter dem sprechenden Titel "Sendestörung" beschreibt der Bochumer Historiker Karsten Rudolph jetzt die anstehenden Probleme.
Der Autor, lange Jahre SPD-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des WDR-Rundfunk- und Verwaltungsrats, deduziert die aktuell schwierige Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhand von dessen zunächst unglaublicher Erfolgsgeschichte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die BBC war das Vorbild, als die westlichen Alliierten auf deutschem Boden unabhängige gemeinnützige Sendeanstalten gründeten. Sie schlossen sich zur ARD zusammen, der die Länder 1961 ein Zweites Deutsches Fernsehen beigaben. Es folgte die große Zeit mit Nachrichten, Sportschauen, Spielfilmen, Musik- und Unterhaltungsshows. Als Privatsender zur Konkurrenz wurden, reagierten die Anstalten mit einer unübersichtlichen Fülle an Angeboten.
Kenntnisreich und flockig geschrieben, stellt Rudolph die wesentlichen Strukturbrüche und Richtungsentscheidungen dar. In vier Kapiteln behandelt er Aufstieg und Krise der Sender von den "Anfängen nach Hitler" über ihren Ausbau im Wirtschaftswunder bis hin zu "Proporz und Politisierung in den goldenen Siebzigern" und der medienpolitischen Wende von "Umbruch und Entmachtung in den Achtzigerjahren". In Kapitel fünf wird auch der Wandel der Mediennutzung in der Folge des Internets geschildert. Die Überlebenschancen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks knüpft Rudolph daran, dass die Anstalten schlanker und schneller werden, mehr in Echtzeit sowie im Sinne ihres Kernauftrags anbieten und den öffentlichen Diskurs digital stärker mitprägen. Sein Fazit klingt verhalten: "Eine Renaissance ist möglich, wenn es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelingt, seine gesellschaftlichen Bindungen wieder zu stärken." ULLA FÖLSING
Karsten Rudolph: Sendestörung - Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. C. H. Beck, München 2025, 240 Seiten
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