Besprechung vom 20.09.2025
Wenn man im Keller ein kleines Geheimnis hat
FRANKFURT Wozu haben Sie denn da die Gitter? Henni Nachtsheim stellt seinen ersten Roman vor
Wer kennt es nicht - das Gefühl, dass man etwas Begehrtes nicht haben kann. Florentine Huth hat es schon öfter erleben müssen. Aber sie lässt sich davon nicht abhalten. Der Mann, der ihr auf dem Flohmarkt so gut gefallen hat, soll ihr gehören. Auch, wenn sie ihn dafür in ihrem Keller gefangen halten muss.
"Das kenn ich irgendwoher", sagt eine Stimme im Publikum, das sich in der Apfelweinwirtschaft "Zum Rad" im Frankfurter Stadtteil Seckbach versammelt hat. Im Saal über der Gaststube ist Henni Nachtsheim, einst Rodgau Monotones, dann Badesalz, zudem Fußballkolumnist, oft bei "Heimspiel" zu Gast gewesen, dem Fan-Talk des Hessischen Rundfunks. Hier feiert er deshalb die Buchpremiere seines ersten Romans. "Aller Kidnapping ist schwer" ist halb Krimi und halb Komödie und beschreibt, was Florentine mit dem Kerl in ihrem Keller macht, zu dem sich schon bald zwei weitere Herren hinzugesellen.
"Ich habe jemanden mitgebracht", sagt Nachtsheim in Seckbach. Neben ihm am E-Piano sitzt Bernd Schmidt, Begleiter Jo van Nelsens und vieler anderer Musiker, im April dieses Jahres außerdem mit dabei bei der Premiere von "Adlerherzen", Nachtsheims "Bühnenstück für Eintrachtfans" mit Musik seines Rodgau-Monotones-Kollegen Ali Neander. Das Buch, das sich im letzten Drittel eine weitere Tonart zulegt und in eine schräge Liebeserklärung an die Beatles verwandelt, die zu einem Tribute-Band-Wettbewerb nach Dublin führt, wird mit Musik begleitet. Nachtsheim liest eine Passage vor, Schmidt spielt anschließend etwas Musik der Fab Four, und die Freunde und Zuhörer an den langen Tischen vor ihnen nippen dazu an ihren Getränken.
Nachtsheim hat ein bisschen Bammel vor dem Abend. Anfang September hat er bei Ullstein "Eintracht Frankfurt - Eine Liebeserklärung" veröffentlicht, ein Buch über den geliebten Fußballverein, "das ist einfach", wie er sagt, klares Thema, lauter abgeschlossene Kapitel, gut vorzutragen. Jetzt hat er es mit einem Roman zu tun, seinem ersten noch dazu, das findet er schwerer, vom Schreiben bis zum Vorstellen. Was dachte er, als er merkte, dass er an einem Roman arbeitete? "Ich war neugierig, ob ich durchhalte", sagt er nach der Lesung. Er hat es geschafft, zwischen all seinen anderen Projekten, von Radio Badesalz bis zum Touren. Sechs Jahre hat es von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung im Verlag mainbook gedauert, wo "Aller Kidnapping ist schwer" seit dem 16. September für 16 Euro erhältlich ist.
Angefangen hat für den Autor alles mit dem Bild des Privatgefängnisses: "Es ging mit dem Knast los, mit der Idee, dass jemand im Keller Leute gefangen hält." Die passende Heldin hatte Nachtsheim ebenfalls zur Hand: "Florentine war auch gleich da." Kein Wunder. Die durchtriebene Abteilungsleiterin der örtlichen Rentenkasse, 1,53 Meter groß und 96 Kilogramm schwer, blutdruckbedingt rotgesichtig und mit grünen Augen, einer durch und durch lindgrünen Einrichtung und einem schwarzen Pagenkopf versehen, fesselt die Aufmerksamkeit von ihren ersten Worten und Gedanken an.
Den Trick mit dem Gefangenhalten eines Mannes durch eine Frau, die weiß, was sie will, kennt Nachtsheims Zuhörerin vermutlich aus "Sie", dem Buch von Stephen King, in dem der Schriftsteller Paul Sheldon mit gebrochenen Beinen im Haus der ehemaligen Krankenschwester Annie Wilkes erwacht. Sie hält ihn dort so lange fest, bis er ihr das Buch schreibt, auf das sie wartet. Ein Finger wird, wie in "Sie", auch in "Aller Kidnapping ist schwer" abgetrennt, mit einer herrlichen Pointe in den allerletzten Zeilen von Nachtsheims Buch. Seine monströse Heldin ist lustiger, kurzweiliger, absurder als Kings, aber nicht weniger pathologisch. Mit Florentine Huth ist ihm eine unvergessliche Figur gelungen.
Nur zu verständlich, dass der Gedanke an einen weiteren Roman Nachtsheim nicht mehr schreckt. Auf keinen Fall wird es ein Fußballroman werden: "Es gibt schon so viele." Aber vielleicht etwas mit Florentine? "Ja." FLORIAN BALKE
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