Andreas Steinhöfel kennt man vor allem durch seine beliebte Rico und Oskar-Reihe - dieser (schon etwas ältere und leider erst jetzt von mir entdeckte) Roman hier ist aber definitiv ANDERS!
Nach einem tragischen Unfall liebt Felix im Koma, und zwar genau 263 Tage - das ist exakt die Anzahl jener Tage, die seine Mutter vor elf Jahren mit ihm schwanger war. Niemand hatte mehr daran geglaubt, doch das Wunder geschieht und Felix wacht wieder auf. Doch er möchte nun nicht mehr Felix genannt werden, er gibt sich den Namen Anders.
"'Warum hast du dich umbenannt?'
Der Winterjunge zuckte die Achseln. 'Weil ich mich nicht mehr wie ein Felix fühle '
'Und wie fühlt sich ein Felix?'
'Eingesperrt.'"
An die Zeit vor dem Unfall oder den Unfall selbst hat der Junge keine Erinnerung mehr - und es gibt jemanden, der unbedingt möchte, dass das auch so bleibt ...
Nicht nur sein Name, auch sein Verhalten ist anders als vor dem Unfall. Dies stellt auch seine Eltern und deren Ehe auf eine harte Probe. Besonders seine zielstrebige Mutter, die Felix/Anders Zukunft schon fest geplant hatte, kann damit überhaupt nicht umgehen.
Auch seine Mitschüler*innen können mit seinem neuen, merkwürdigen Verhalten nicht umgehen. Er macht ihnen Angst mit seinen Worten und seinem Verhalten.
"Ihn umgibt eine eigene Aura: Er strahlt die Ruhe aus, wie sie unmittelbar vor dem Einschlafen in dir aufkommt, wenn du in den ersten Traum der kommenden Nacht gleitest, er verströmt Trost, wenn Dein Innerstes von etwas erschüttert ist, wenn Angst dich quält oder Unrast dich erfüllt; wo deine Welt verrückt, reicht seine bloße Anwesenheit aus, sie wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, und wo sie zerbricht, entgratet sein Lachen die schmerzhaft scharfen Kanten ihrer Bruchstellen."
Gegen Ende hin gibt es noch einige unerwartete Wendungen, auf die ich hier nicht eingehen möchte, um nicht zu spoilern. Erst am Ende offenbart sich die ganze Geschichte.
Der Schreibstil ist anspruchsvoll und die Thematik eher ernsthaft. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, je nach Blickwinkel wechselt der Schreibstil. Das ist sehr gelungen und authentisch. Die Charaktere hat Andreas Steinhöfel sehr gut getroffen, sehr authentisch und liebevoll dargestellt.
Ich würde das Buch aufgrund seiner Komplexität nicht für zu junge Kinder empfehlen würde, vielleicht so ab 13 Jahren, aber definitiv auch für Erwachsene.
Anders ist ein wirklich ungewöhnliches Buch, ergreifend und erschütternd, fesselnd und bewegend, poetisch und mystisch, wirklich etwas ganz Besonderes. Es steckt viel Symbolik in der Geschichte; ob all das von zu jungen Leser*innen schon begriffen werden kann, weiß ich nicht; aber ich mag es, wenn Jugendbücher anspruchsvoll sind.
Ich als Erwachsene hatte so einen Roman nicht erwartet, wow - ein wirklich besonderes Leseerlebnis!