In diesem ruhigen und dennoch sehr unterhaltsamen Roman wird das Leben von Willa erzählt. Eine typisch amerikanische Kindheit in den sechziger Jahren, jung verheiratet in den siebziger Jahren. Nach dem Tod ihres ersten Mannes, den sie wohl auch aus trotz ihrer Mutter gegenüber geheiratet und bis zu einem Unfall eine mehr oder weniger glückliche Ehe geführt hatte, heiratete sie erneut. Sie zog die beiden Söhne groß, die sie verließen und sich nur noch selten melden. Sie musste mit ihrem zweiten Mann von Berufs wegen umziehen und Job und Freundinnen zurücklassen. Und als sie der Hilferuf einer Unbekannten erreicht, lässt sie alles stehen und liegen und eilt der alleinerziehenden Denise, Ex-freundin ihres Sohnes, und ihrer neunjährigen Tochter Cheryl nach einem Unfall zu Hilfe.Es ist ein schleichender Prozess, bis Willa klar wird, was die Leserin schon von der ersten Seite dieses Buches spürt: dass sie bisher ein fremdbestimmtes Leben geführt hat. Stets Rücksicht auf die Mutter nehmend, das Studium wegen des ersten Mannes und der Kinder aufgebend, den Job wegen des zweiten Ehemanns hintanstellend war sie zur Randfigur im eigenen Leben verkommen. Wieder gebraucht zu werden gab den Impuls zu dieser "unvernünftigen" Aktion, doch plötzlich fühlt sie sich wahrgenommen, geschätzt und auch in ihren Stärken gesehen: "Willa kann ungefähr sechsundneunzig Sprachen" prahlt die kleine Cheryl mit ihr.Sie registriert, dass sie sich zu sehr auf die Bedürfnisse ihrer vier Männer eingestellt hat und ganz allmählich schleicht sich mit den gewöhungsbedürftigen Nachbarn, der hilfsbedürftigen Denise und der liebenswerten kleinen Cheryl ein neues Lebensgefühl ein und sie muss sich fragen, ob sie den Rückflug zurück in ihr altes Leben überhaupt wieder antreten mag.Es ist kein Paukenschlag und es ist kein großes Drama. Ann Tyler breitet die alltägliche Banalität eines Frauenlebens vor uns aus, dessen Gebot es ist, dass sich alles nach dem Mann richtet. Bis heute werden Frauen geringer bezahlt, bleiben deshalb länger bei den Kindern zuhause, stecken im Job zurück, selbst wenn ein Umzug ansteht. Es ist die Kunst der leisen Töne, der Details, die dieses Buch lesenswert machen und jede Frau, die dazu erzogen wurde, sich zurück zu nehmen, kann sich darin wiederfinden. Es zeigt aber auch, dass es nicht einfach ist, auszubrechen, dass es dazu Zeit baucht und Mut und Gelegenheit. Und nicht jede von uns ist eine Superheldin. Dafür vermittelt diese Geschichte aber die Einsicht, dass es niemals zu spät ist und auch im Alter von einundsechzig Jahren ein Neuanfang möglich ist.Mir hat das Buch sehr gefallen. Ich liebe seinen ruhigen Duktus und die Tatsache, dass es kein "besseres" Leben ist, das dort gesucht und gefunden wird, sondern einfach ein anderes: eines, welches besser zu Walli passt. Und manchmal dauert es eben, bis man sich überhaupt auf die Suche danach macht. Dadurch gewinnt der Roman eine Realität, die diese einfühlsame und warmherzige amerikanische Familiengeschichte zur überzeugenden Geschichte einer selbst gewählten Familie macht.