Die verlassenen Kinder

Es hat einen Moment gedauert, bis ich in die Geschichte hineingefunden habe - nicht, weil sie mich nicht interessiert hätte, sondern weil der Einstieg eher ruhig daherkommt. Was mich jedoch von der ersten Seite an begeistert hat, war die dichte Atmosphäre, die Belinda Bauer aufbauen konnte. Man spürt förmlich die flirrende Hitze auf dem Standstreifen, die bedrückende Stille im Haus der Kinder - diese dichte Stimmung zieht sich wie ein roter Faden durchs Buch.Auch die Figuren haben mich schnell überzeugt. Mit wenigen Worten erschafft Bauer tief gezeichnete Charaktere, die sich im Verlauf glaubhaft weiterentwickeln. Besonders eindrücklich fand ich den abgehalfterten Ermittler John Marvel, der sich langsam ein Stück Mitgefühl zurückerarbeitet, oder auch Reynolds mit seiner pedantischen Art - skurril, aber lebendig. Vor allem Jack, der zwischen Wut, Schmerz und innerer Leere schwankt, ist eine Figur, die lange nachhallt. Man erlebt nicht nur seine Entwicklung, sondern auch die von Joy und Merry, die auf ihre je eigene Weise mit dem Verlust umgehen.Das Buch lebt von seinen Figuren, ihrer Trauer, ihrem Überlebenswillen - und weniger von der eigentlichen Krimihandlung. Die Story selbst kommt für meinen Geschmack in den ersten 200 Seiten etwas schleppend voran. Dann aber folgt ein überraschender Wendepunkt, der für ein paar echte Pageturner-Momente sorgt, bevor die Spannung gegen Ende wieder leicht abflacht.Was mir am meisten gefehlt hat, war eine tiefere Aufklärung einiger zentraler Fragen. Bestimmte Schlüsselmomente der Handlung bleiben im Dunkeln - etwa die genaue Motivation hinter dem Verbrechen oder das Verhalten einzelner Familienmitglieder. Gerade gegen Ende hätte ich mir hier mehr Hintergrund und emotionale Auflösung gewünscht, um die Geschichte wirklich rund abschließen zu können.Trotzdem: Die verlassenen Kinder ist ein Buch, das mich berührt hat - nicht durch seinen Krimiplot, sondern durch emotionale Tiefe und die intensive Charakterarbeit. Mit etwas mehr Aufklärung und vielleicht 100 Seiten mehr Raum wäre es für mich eine klare 4-Sterne-Geschichte gewesen. So sind es solide 3,5.

Ein Familiendrama, bei dem eine Mutter verschwindet, und der älteste Sohn seine Schwestern versorgt und den Mörder finden will.