Im Wald der Psychosen ist mir sofort ins Auge gesprungen, weil das Cover von Björn Gooßes einfach so großartig und düster ist. In der Mitte sieht man eine Person, die eine Glaskugel in den Händen hält. In der Kugel befindet sich ein grüner Wald mit einigen Pilzen im Vordergrund. Trotzdem wirkt diese Szenerie auf mich nicht beruhigend, eher bedrohlich. Genauso wie die Umgebung, in der sich die Person befindet, die die Kugel hält und ganz konzentriert reinschaut. Da ist es dunkel, die Bäume haben keine Blätter mehr und aus im Hintergrund leuchten viele Augen auf. Auch ein paar Füchse und ein Eichhörnchen sind wiederzuerkennen. Ihre milchig weißen Augen aber lassen darauf schließen, dass man sich am besten für sie in Acht nehmen sollte.
Das Cover ist auf jeden Fall einen guten Einstieg, um so einen ersten Eindruck der Inhalte des Buches zu bekommen. Im Wald der Psychosen lernen wir in 24 spannende Kurzgeschichten verschiedene Personen und ihre Lebenssituationen kennen. Die Texte sind sehr unterschiedlich, sowohl, wenn es um die Handlung als um die Länge geht. Mir haben sie gut gefallen, weil sie so abwechslungsreich und überraschend waren. Der Autor schafft es nämlich super, die Spannung aufzubauen, den Leser in eine bestimmte Richtung zu lenken, um dann mit einem unerwarteten Ende um die Ecke zu kommen. Das hat mir super viel Spaß beim Lesen gemacht.
Das Buch wurde in vier größeren Teilen gegliedert: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Pro Jahreszeit findet man jeweils die passenden Kurzgeschichten, die von einem kleinen Kapitel vorangegangen werden, in dem man als Leser direkt von dem Buch angesprochen wird. Die Stimme des Buches hat sozusagen die persönliche innere Stimme des Lesers für einen bestimmten Zeitraum verdrängt und konfrontiert dem Leser mit sich selbst. Ich fand das super spannend, weil es einerseits eine passende Einleitung zu den Kurzgeschichten bildet, andererseits auch zum Nachdenken über das Leben im Allgemeinen und über sich selbst anregt.
Die Geschichten an sich sind dann, wie schon erwähnt, sehr unterschiedlich. Sie alle zu besprechen, werde ich hier nicht schaffen, obwohl ich sie eigentlich alle gerne gelesen habe. An dieser Stelle ignoriere ich auch mal die Stimme im Buch, die meinte, man solle nur der Stimme des Buches sagen, welche Geschichten einem gefallen haben. (Seite 233). Der Text, der mich sehr mitgenommen hat, war Einhornschokolade, über eine Mutter, die alles für ihre Tochter tun würde. Sie hat aber nicht viel Geld und deswegen sind es die kleinen Sachen, die für andere Personen unbedeutend erscheinen, für sie so wichtig werden. Es war ein wunderschöner Text mit einem großartigen Ende. Ich habe wirklich sehr mitgefiebert, obwohl es eigentlich um etwas Alltägliches ging, mit dem sich viele Menschen konfrontiert sehen. Was die Geschichte aber auch sehr schön zeigt, sind die ganzen Vorurteile und Meinungen von anderen Menschen, mit denen sich die Mutter auch noch herumschlagen muss, obwohl sie es schon nicht einfach hat. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, weil die Hauptprotagonistin es meiner Meinung genau richtig macht.
Auch sehr gefallen hat mir Der Mann auf der Brücke. Ein sehr kurzer, tiefgründiger Text über eine Frau, die sehr viel für einen Mann getan hat, weil sie der Meinung sei, er sei ein großartiger Schriftsteller. Sie hat ihm finanziell unterstützt, eine Veranstaltung organisiert und wollte sein Leben wieder auf die Reihe kriegen. Nur bekam ich den Eindruck, dass sie irgendwie vergessen hat, ihn mal zu fragen, ob er das überhaupt wollte.
Für mich zeigte die Geschichte eine eigentlich unglaubliche sympathische Protagonisten, die sich in einem Traum verliebt hat, nämlich die wunderschöne Texte, die der Mann geschrieben hatte, ihm unbedingt helfen wollte, weil sie sein Potential erkannt hat, und dabei aus den Augen verloren hat, dass er das vielleicht nicht möchte. Sie hat sich nie die Mühe gegeben, ihn kennenzulernen. Sie war komplett auf seine Texten und sein Talent fixiert, dass sie vergessen hat, dass es sich um eine lebendige Person, mit eigenen Ideen und Gefühlen handelt und er das alles vielleicht gar nicht wollte. Deswegen ist der Text so schmerzhaft, weil die Protagonistin, die so viel für diesen Menschen geopfert hat und dachte, sie mache das Richtige, eigentlich ziemlich übergriffig geworden ist und jetzt damit konfrontiert wird, dass sie die ganze Zeit in einer Illusion gelebt hat.
Aber auch viele andere Texte haben mich begeistert. A Halloween Carol zum Beispiel, ein etwas längerer Text, der meiner Meinung nach sehr spannend zum Lesen war und wo man als Leser jetzt nicht unbedingt weiß, ob es sich um reale Ereignisse oder um die Phantasie des Erzählers handelt. Oder Die Heimat der Sterne, eine Geschichte, in der die Protagonistin sich mit einem schweren Verlust auseinandersetzen muss und von ihrer Umgebung nur Steine im Weg gelegt wird. Oder Herr Bachmanns Freund, in dem es um den Umgang mit Menschen, die eine psychische Krankheit haben, geht und zeigt, dass es auch für die Angehörigen nicht immer einfach ist.
Es gibt halt in diesem wundervollen Buch unglaublich viel zu entdecken und mir hat das Lesen wirklich Spaß gemacht. Es war ein Vergnügen immer mal kurz in die Gedanken und die Leben der Protagonisten abtauchen und sich mit ihren Gefühlen und Lebenssituationen auseinandersetzen zu können. Absolut lesenswert für alle, die tiefgründige Kurzgeschichten mit überraschenden Wendungen mögen.