Zum Inhalt:Anno Domini 1237:Es ist die Zeit der großen gotischen Kathedralbauten, die Frankreichs Kulturlandschaft für die Ewigkeit prägen sollen. Der junge Pierre wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater, Baumeister am Straßburger Münster nach Paris zur Ausbildung geschickt. Doch, dass Lehrjahre sind keine Herrenjahre muss der neugierige Pierre schnell lernen, durchläuft er auf einer kleineren Baustelle in Saint Denis zuerst alle bei einem Kirchenbau zusanmenwirkenden Handwerke. Doch dann wird sein Lehrherr zum neuen Baumeister an Notre-Dame de Paris berufen, ein Erfolg, der prompt Neider auf den Plan ruft.Kann Pierre seine Ziele verwirklichen oder werden auch diese zur Zielscheibe des Kontrahenten?Meinung: Claudius Crönert hat mit seinem Roman nicht nur die Geschäftigkeit der großen Kathedralbaustellen, die dortig konzentrierte und zusammenwirkende Kunstfertigkeit der verschiedenen Bauhütten samt der vielfältigen alltäglichen Gefahren oder auch den ähnlich einer großen Familie gestalteten Zusammenhalt innerhalb der einzelnen Handwerksgewerbe, denen auch vielfach Frauen angehörten, skizziert, sondern hat ein überaus feines Gespür für die Zeit und das Verständnis der Menschen vor ihrer Epoche entwickelt.Häufig findet sich eine moderne Perspektive auf die vergangenen Geschehnisse eingeschrieben, eine Tendenz, die nahezu gänzlich in diesem Roman fehlt. Der Kathedralbau, gewidmet der Muttergottes und somit zu ewigen Ehre Gottes wird nicht nur deutlich, sondern gänzlich neutral vom Autor herausgearbeitet. Auch an anderen Stellen findet sich die tief in der Bevölkerung verwurzelte Frömmigkeit in verschiedensten Formen und Ausprägungen thematisiert, sei es als zentraler Lebensinhalt und Hoffnungsträger oder aber auch eine zum Fanatismus gesteigerte Gottesfürchtigkeit in Kontext zu den Kreuzzügen. Der Roman vermittelt dem Leser darüber hinaus ebenfalls zahlreiche Informationen zur aufstrebenden Stadt Paris, zur hierarchischen Ständegesellschaft, wenngleich der Fokus entsprechend auf Architektur und Bautätigkeit sowie deren Herausforderungen und innovativen Novitäten liegt. Besonders die anschaulichen Beschreibungen zu den verschiedenen Handwerken, der verschiedensten Techniken und Vorgänge als auch der am Bau der Notre-Dame ablesbare Ehrgeiz seiner Baumeister nicht nur in den Himmel zu bauen, sondern zudem durch die große Durchfensterung einen effektvoll-lichten Kirchenraum zu schaffen, bringen den Leser zum Staunen. Die Handlung des Buches erstreckt sich über mehrere Jahre, sodass der Leser Pierre beim Erwachsenwerden begleitet, ihn Konflikte, Gefahren und Intrigen durchstehen lässt. Die ist die Figurenzeichnung ist überzeugend und lebendig, wenn auch hinsichtlich der Antagonisten vom Schwarz-weiß-Prinzip geprägt. Hingegen hebt sich die historisch verbürgte Person des Baumeisters Jean de Chelles durch eine komplexe Charakterstruktur besonders hervor, die jedoch mit seinem Ideenreichtum korrespondiert. Es scheint als wolle der Autor hier schon ein wenig die Entwicklung vom Verständnis des Handwerkers hin zum Künstler vorwegnehmen.Am Rande der Handlung findet sich zudem eine kleine Liebesgeschichte eingeflochten, welche jedoch entgegen des Klappentextes m.M.n. eine untergeordnete Nebenrolle spielt und - als kleiner Kritikpunkt - sich zum Ende ein wenig übereilt entwickelt.Insgesamt jedoch legt Claudius Crönert hier einen überzeugenden Roman vorgelegt, der bildreich vom großen Zeitalter der Gotik, von ihren ambitionierten Bauten genauso wie von den Menschen, die sie schufen. Es ist schlicht eine Hommage an Schönheit, Eleganz und Wagemut des französischen Kathedralbaus!4,5/5 ¿¿