Von Dolores Redondo habe ich bisher noch nichts gelesen, aber ich liebe Bilbao, die baskische Metropole mit dem Charme einer Kleinstadt, ihrem reichhaltigen kulturellen Erbe, dem beeindruckenden Guggenheim-Museum und dem Trubel im historischen Stadtkern. Die Jahrhundert-Flut und ihre Auswirkungen, die im August 1983 große Teile der Stadt überschwemmte und zahlreiche Menschen das Leben kostete, war mir bisher allerdings nicht bekannt, der schottische Serienmörder Bible John hingegen ist mir als langjährige Leserin natürlich durch die Kriminalromane von Liam McIlvanney (Ein frommer Mörder) und Ian Rankin (Das Souvenir des Mörders) ein Begriff. Diese Kombination aus Warten auf die Naturkatastrophe und Mörderjagd, im Zentrum der todkranke schottische Ermittler Noah Scott Sherrington, ein Mann, der im Angesicht des Todes nichts mehr zu verlieren hat, ist eine überaus reizvolle Ausgangssituation, die diesem Thriller den besonderen Dreh verpasst. Er will John schnappen, ihn unter allen Umständen für immer wegsperren, und geht dafür auch das Risiko ein, die Jagd im Baskenland, wohin sich John Clyde abgesetzt hat, nicht zu überleben.
Die Protagonisten sind außergewöhnlich gut charakterisiert, das Katz und Maus-Spiel detailliert beschrieben, ebenso die Zweifel und Ängste des todkranken Noah, der allerdings die Risiken nur dann anerkennt und entsprechend handelt, wenn sie ihn davon abhalten könnten, den Täter zur Strecke zu bringen. Die dritte Hauptfigur in diesem spannenden Reigen ist Bilbao, die zunehmend an Kontur gewinnt, wobei aber glücklicherweise neben den Beschreibungen der Örtlichkeiten auch die politische Gesamtsituation der Region eine Rolle spielt.
Der allwissende Erzähler wechselt zwischen den Perspektiven der beiden Protagonisten hin und her und versorgt uns dadurch zunehmend mit Informationen über das frühe Leben des Täters. Dabei heischt er aber nicht nach Sympathien, sondern überlässt es den Lesern, ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Aber auch der Handlungsort Bilbao gewinnt zunehmend an Kontur und entwickelt sich allmählich zur dritten Hauptfigur. Dabei räumt die Autorin aber auch den brisanten, politischen Verhältnissen der damaligen Zeit den entsprechenden Raum ein.
Ein sehr spannender, fesselnder Kriminalroman ohne Schwächen, und deshalb nachdrücklich empfohlen.
Und falls ihr Bilbao noch nicht kennt, solltet ihr das ändern. Unbedingt!